Emotionaler Abschied

Vor wenigen Stunden lachten wir noch zusammen, gaben uns lange Umarmungen und noch viel längere Beteuerungen, dass wir uns unbedingt wiedersehen und den Kontakt halten werden. Segenswünsche wurden uns mitgegeben, Adressen ausgetauscht und eine gute Heimreise gewünscht. Unsere Verabschiedung war herzlich und emotional. Ich war überrascht, dass sich die Beziehung zu unseren Brüdern und Schwestern so schnell aufgebaut hatte und mir der Abschied schwer fiel – sonst bin ich was Abschiede nach Austauschprogrammen angeht eher nüchtern. Dieses Mal hingegen freue ich mich enorm den Kontakt zu halten. Das darf schon was heißen.

Den Tag begannen wir mit einem Gottesdienst in der Universität, welcher die Studierenden nach den Semesterferien willkommen hieß und gleichzeitig unsere Reisegruppe verabschiedete. Wir durften einer spannende Mischung aus Ausgelassenheit und Ernsthaftigkeit beiwohnen. Eine Band spielte Musik, ein Chor mit Frontsänger gab mit viel Freude und Energie Lieder zum Besten und die Studierenden begannen zu tanzen. Wir wippten mit, klatschten zum Beat und als eine Truppe ausgelassener Tänzer unsere Bankreihen erreichte, ließen wir uns mitreißen. Wir tanzten durch die Kirche, singend, klatschend, tanzend, lachend. Durch die Kirchgänge, mal in Reihen hintereinander, mal als Pulk und auch durcheinander. Arme wedelten durch die Luft, dann plötzlich gab es einen Kreis, plötzlich hockten sich alle hin und sprangen von dort gemeinsam wieder hoch. Unsere Pastorin Dr. Bridget Ben-Naimah wurde von allen anwesenden wie ein Popstar bejubelt als sie nach vorne zum Rednerpult trat. Sie war es, die unsere Konsultation und auch den Austausch von Beginn an begleitete. Die Predigt des Pastors hingegen war eher lang, ernst und an die Moral der Studierenden appellierend. Zuvor gab es zahlreiche Begrüßungen.

Es folgte die Kollekte, bei der sieben Körbe präsentiert wurden. Jeder Korb war mit einem Wochentag beschriftet. Und jeder Korb wurde auf Brusthöhle von einer Person gehalten. Je nach dem an welchem Wochentag man geboren ist, tritt man aus der Bank nach vorne und wirft seine Spende in den jeweiligen Korb. Die erzielte Summe wird gegen Ende des Gottesdienstes verkündet. Gestaffelt. Man beginnt mit dem Verlierer: Mittwoch und arbeitet sich dann nach oben. Trotz dieser Vorgehensweise geht das ganze total freudig vonstatten. In unserem ersten Gottesdienst sind wir in Reihen sogar nach vorne zur Kollekte getanzt, haben gesungen und gelacht. Es folgte eine einstudierte Tanzeinlage zweier junger Frauen. Für Ihre Hip Hop Nummer – da wo normalerweise der Altar steht – wurde das Rednerpult kurzerhand zur Seite geschoben. Die Band spielte, der Chor gab Lieder zum besten, die Kirchengäste jubelten und tanzten, murmelten laut Gebete wenn die entsprechende

Zeit dafür war und uns wurden Geschenke zum Abschied überreicht. Eine reiche Erfahrung.

Von unseren Freunden wurden wir über den Campus von Accras Universität geführt, der größten Universität Westafrikas. Diesen Namen hat sie auch wahrhaftig verdient. Das Gelände ist unheimlich weitläufig und zeichnet sich aus durch moderne Gebäude und unheimlich viel grün zwischendrin. Neben den hübschen und schön gestalteten Universitätsgebäuden und Unterkünften gibt es einen kleinen Markt, eine Feuerwehrstation, ein modernes Universitätsklinikum, Sportplätze und einen botanischen Garten. Ich war noch nie in meinem Leben auf einem so großen Campus und war sehr beeindruckt.

Der krönende Abschluss unseres Aufenthaltes in Ghana war der Besuch eines Marktes, wo allerlei Kunsthandwerk wie Schmuck, Holzfiguren, geschnitzte Masken, Kleidung und Gemälde von freundlichen Verkäuferinnen und Verkäufern angeboten wurde. Die meisten von uns entdecken dort den einen oder anderen Schatz, ein Mitbringsel oder Geschenk. Mit gutem Essen gestärkt und randvoll mit guten Erinnerungen machten wir uns auf dem Weg zum Flughafen.

Eleonora

Elmina-Castle

Viel zu früh klingelte der Wecker uns gegen 5.30 Uhr aus dem Bett, sodass wir halb schlafwandernd gegen 6.30 Uhr mit unserem Fahrer Timothy abfuhren. Als wir kurze Zeit später auf unserer Fahrt noch Victoria, Wisdom, Ezekiel und Henry einsammelten, war unsere Truppe komplett und die mehrstündige Reise zu Elmina, der größten ehemaligen Sklavenburg Westafrikas, konnte losgehen. Bevor wir das Meer und die brechenden Wellen entlang der Küste sehen konnten, hatte der salzige Duft im wohltuendem Wind uns schon vorher erreicht. Im lebendigen Hafen von Elmina reihten sich entlang der Anleger unzählige Holzboote mit bunten Fahnen, sodass es schien, als ob die gesamte Stadt fischen würde. Die Boote kamen und fuhren wieder und alles erinnerte an ein großes reales Wimmelbild, in dem Menschen ihre Waren anboten, Essen zubereiteten und Fußball am Strand spielten. Während der Führung durch das heutige UNESCO-Kulturerbe wurden uns Einblicke in das düstere Kapitel der Sklavengeschichte ermöglicht. Die von den Portugiesen erbaute Festung wurde im 15. Jahrhundert errichtet und erhielt von ihnen den Namen „Goldmiene“. Die Burg schien trotz der vergangenen 500 Jahre noch sehr gut erhalten, sodass wir Sklavenkerker, Todeszellen, Kanonen und die Räumlichkeiten der Admirale besichtigen konnten. Der Besuch der Orte in Verbindung mit der Geschichte war für uns alle auf der einen Seite spannend, aber auch sehr bedrückend. Trotz der räumlichen Nähe bleibt es für uns schwer vorstellbar, was vor so vielen Jahren hier vorgefallen ist. Von unseren Gastgebern erfuhren wir, dass die Menschen in der Hafenstadt noch eine Sprache sprechen, die Spuren aus der Sklavenzeit enthält. Da Wörter aus anderen Sprachen, wie dem Portugiesischem, in die Sprache der Bewohner von Elmina integriert wurden. Bevor wir uns auf den langen Rückweg machten, haben wir uns in einem Restaurant mit Blick auf den Atlantik stärken können. Im Tro-Tro ging es dann wieder zurück nach Accra. Doch das Tro-Tro ist nicht einfach ein Kleinbus, sondern auch heute wieder ein idealer Ort für sehr interessante Gespräche über die mögliche Zukunft von Ghana und Deutschland und den eigenen Sorgen und Wünschen. Zudem hat Andreas eine Einführung in deutsche Zungenbrecher und weiteren Blödsinn gegeben, sodass wir das A1-Level sicherlich alle schon erreicht haben. Auch wenn die Fahrten immer lustig sind, waren wir dann doch froh unsere Beine am Hotel wieder ausstrecken zu können. Den Abend haben wir bei Bananenchips, Tiger-Nuts (Wurzeln von Sauergräsern) und Club-Bier gemütlich auf unserer Dachterrasse ausklingen lassen.

Jules und Saskia

Here comes the Sun!

Nach unserem letzten Frühstück im Kekeli Hotel, verließen wir schweren Herzens das kleine Örtchen Ho. Dabei verabschiedeten wir uns nicht nur vom sehr herzlichen Hotelpersonal und heiterem Rev. Eric, sondern auch von unserer Freundin Neele, welche sich dazu entschieden hatte weitere Programme der Norddeutschen Mission Bremen zu besuchen. Gegen 9.00 Uhr waren wir endlich davon überzeugt, dass alle Koffer auf der Ladefläche des Pick-Ups rüttelfest verstaut waren, die Truppe saß startklar im Minibus und Timothy trat ins Pedal. Auf unserer fast fünfstündigen Fahrt zurück nach Accra gab es einen Zwischenstopp in Akosombo, von wo aus die Aussicht auf den Volta-Stausee und Wasserkraftwerk genossen wurde. Auch erhaschten wir während der Fahrt am Rande der Landstraße einen Blick auf eine Reihe Rhesus- Affen, sahen zum ersten Mal ghanaische Rinder und entdeckten sogar Zeugen Jehovas mit Wägelchen. Nach vielem anstrengendem Stop’n’Go-Verkehr innerhalb Accras, landeten wir müde und erschöpft im bekannten Gasthaus und schleiften unsere Füße pünktlich um 14 Uhr zum Lunch. Da keine weiteren Programmpunkte für diesen Tag anstanden, konnte jeder sich einen entspannten Nachmittag/ Abend gestalten. Nach einem kurzen Ruhepäuschen, bestand dann doch bei den Meisten noch das Bedürfnis sich die Füße zu vertreten. Ohne ein festes Ziel schlenderte also unsere sportliche Truppe los und erkundete das sichtlich reichere Viertel Accras, welches man auf dem zweiten Blick auch als Botschaftsviertel erkannte. Aus einer viertel Stunde um den Block wurden drei lustige Stunden durch die gesamte Nachbarschaft. Nachdem wir an unzähligen großen durch Mauern und Stacheldraht geschützten Bauten mit top gepflegten Vorgärten vorbeispazierten, fanden wir sogar noch einen supermodernen und superinternationalen Supermarkt! Die Begeisterung über das vielfältige Angebot ließ sich kaum in Zaum halten (Okay, das trifft vielleicht nur auf mich zu…). Der Supermarkt sparte keine Müh‘ für die ortsansässigen Botschafter und führte allerlei Leckereien, wie deutsche Schwarzwälder-Kirschtorten, indische Pasten, englische Butterkekse, holländischen Käse und italienische Fleischware. Mit einem späten Abendessen und einem netten Gathering auf dem gemütlichen Balkon des Gasthauses endete unser siebter Tag in Ghana.

 

Unser letzter Tag in Ho

Heute hatten wir unseren letzten gemeinsamen Tag in Ho. Nach einem reichhaltigen Frühstück habe wir gemeinsam eine Morgenandacht zusammen mit den Mitarbeitern im EP Church Büro und anderen Besuchern aus den USA und Kanada gefeiert. In dieser hat Andreas uns die Goldene Regel („Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“) als möglichen Weg zum guten Leben vorgestellt. Anschließend hat Saskia nochmal anhand eines Fotos ihre Sichtweise auf ein gutes Leben vorgestellt. In der Andacht haben wir (=die ghanaischen und deutschen Studierenden) dann noch zusammen ein Lied auf Ewe und ein Lied auf Deutsch vorgesungen.

Danach haben wir in 3 Gruppen unsere Ideen zum guten Leben kreativ umgesetzt. Wir haben jeweils aus Materialien wie z. B. Blättern, Blumen, Flasche, Pappe, … eine Gemeinschaft gebaut, in der man unsere Ansicht nach ein gutes Leben führen kann. Eine Gruppe hat einen Ort erdacht, an dem sich junge und alte Menschen gemeinsam um einen zentralen “Baum” versammeln können. In einer anderen Gruppe wurde ein Dorf entwickelt, dass darauf ausgelegt ist, Gemeinschaft zu fördern. So sind die Wohneinheiten um einen Zentralen Platz angelegt und Dinge wie Autos, Werkzeuge und die Küche werden gemeinsam genutzt. Die dritte Gruppe hat eine Gemeinschaft erdacht, in der es verschieden Bereiche für verschiedene Bedürfnisse gibt. So gibt es zum Beispiel einen Bereich für Menschen die das städtische Leben lieben sowie einen eher ländlichen Bereich.

Nach dem, wie immer sehr leckeren, Mittagessen haben wir eine kleine Rundfahrt durch und um Ho herum mit dem Tro-Tro (kleiner Bus) gemacht. Zuerst sind wir in die Berge gefahren und haben von den Terrassen zweier sehr teurer Restaurant bzw. Hotels den schönen Ausblick über die Volta Region genossen. Wir haben uns zuerst gewundert, dass wir als nicht zahlende Kunden einfach so die Terrassen benutzen durften. Die Ghanaer meinten jedoch, dass in Ghana die schöne Natur allen gehört und wir somit selbstverständlich den Ausblick gratis genießen dürfen.

Auf dem Rückweg haben wir dann noch kurz an einem Kiosk und einem Supermarkt angehalten und uns mit Mangos, Papayas und Bananen-Chips eingedeckt. Danach ging es wieder zu den Schneiderinnen, wo wir am Anfang unserer Zeit in Ho einige Kleider und Hemden in Auftrag gegeben hatten. Zurück sind wir dann wieder laut singend mit dem Tro-Tro gefahren.

Anschließend haben wir dann nach Nationalitäten getrennt die Punkte gesammelt, die während der Konsultation als wichtig für das guten Leben genannt wurden. Dabei haben wir zwischen den Punkten unterschieden, in denen wir uns größtenteils einig waren und den Punkten, bei denen wir unterschiedlicher Meinung waren. Anschließend haben wir uns unsere Ergebnisse gegenseitig vorgestellt.

Da die Ergebnisse jetzt an dieser Stelle den Rahmen sprengen würden, wollen wir gemeinsam in den nächsten Woche eine knappe Dokumentation der Gemeinsamkeiten und Unterschiede schreiben.

Abends ist dann ein Teil der Gruppe nochmal zu den Schneiderinnen um einige Kleidungsstücke abzuholen, die Nachmittags noch nicht fertig waren oder geändert werden mussten. Gemeinsam haben wir dann unseren letzten Abend in Ho mit Moskitospray, Mango, Papaya und Getränken ausklingen lassen.

Der Elefant, der Schlange, Pinsel und Baum zugleich ist

Wieder ging ein ereignisreicher Tag zu Ende. Begonnen hatte er mit einem „bible sharing“. Dieses beinhaltete neben Lieder singen (was unserer Gruppe jedes Mal viel Freude bereitet) das Lesen und Meditieren über eine Stelle aus der Bibel. Es war eine Stelle welche das gute Leben beschreibt. Es überraschte mich hierbei, dass die Deutschen, Englischen und Ghanaisch-Englischen Bibeln, welche wir zur Hand hatten fünf verschiedene Übersetzungen der gleichen Textstelle bereithielten. Der Austausch über Interpretationen aus deutscher und ghanaischer Perspektive und zugleich aus christlicher, atheistischer und Bahá’í Perspektive, ergänzt durch die Lesart eines Pastors und einer Pastorin gegenüber der Lesart von Studierenden war für mich enorm spannend und half verschiedene Interpretationen und Perspektiven offen zu kommunizieren und anzunehmen.

Elom und Ezekiel präsentierten die Forschungsergebnisse ihres Uni Projektes in dem sie versuchten anhand von Umfragen die sozio-ökonomischen Verhältnisse der Studierenden der Universität in Accra (Ghanas Hauptstadt) zu messen. Ausschlaggebend hierfür war insbesondere auch die Art der Studierenden zu wohnen. Überrascht hat mich zu erfahren, dass es üblicherweise eine kleine Anzahl von Studierenden gibt, welche sich weder private oder universitäre Unterkünfte noch Essen leisten können. Daher kennen auch die beiden Vortragenden Studierende, welche bei Freunden unterkommen oder ihre Habseligkeiten unterbringen, welche in der Bibliothek oder anderen Universitätsgebäuden übernachten und Wege finden an Nahrungsmittel zu kommen. Es gäbe zwar die Möglichkeit Hilfe zu beantragen, leider aber auch Gründe diese auszuschlagen. Auf der einen Seite bin ich betroffen von der finanziellen Ausgangslage dieser Studierenden und auf der anderen Seite zutiefst beeindruckt von ihrer Willenskraft. Ihr Wunsch zu lernen muss so groß sein, dass sie alles auf sich nehmen um ihren Weg zu gehen.

Aufbauend auf die bereits gehörten Vorträge und Workshops diskutierten wir nun in Kleingruppen welche sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen „gutes Leben“ fördern oder behindern. Unter den förderlichen Strukturen wurden unter anderem aufgezählt ein staatlich gefördertes und fortschrittliches Bildungssystem, freie und faire Wahlen, Respekt vor Menschenrechten und damit verknüpft das Fördern von Wissen über die eigenen Rechte, eine unabhängige Justiz, globale Kooperation von Staaten um globale Herausforderungen gemeinsam anzugehen, Mikro-/Kleinkredite um Unternehmertum und Selbstständigkeit leichter zu ermöglichen und intensive familiäre und nachbarschaftliche Unterstützung. Oh Stromausfall. Das ist heute schon häufiger vorgekommen. Mal ist es der Strom und mal das Wasser das nicht mehr zur Verfügung steht. Aber dafür gibt es ja die Wassertonnen in den Badezimmern. Taschenlampe an und weiter geht’s beim Verfassen des Blogs.

Unsere Freunde brachten uns ein Christliches Lied in zwei verschiedenen Sprachen Ghanas bei und wir hatten viel Freude daran, den gleichen Text anhand des deutschen Liedes „Preiset den Herrn“ mit zugehörigen Bewegungen gemeinsam zu singen. Beide Lieder werden wir im morgigen Gottesdienst performen.

Extrem interessant und aufschlussreich war heute auch die kreative Präsentation von Ghanaischer Etiquette, Tabus und typischen Sprichwörtern. Mit Hilfe von kleinen Theaterszenen und Rätseln durften wir einen Einblick in die Kultur unserer Freunde erhalten, die uns inzwischen sehr ans Herz gewachsen sind. Wir haben viel gelacht. (Das Foto zeigt eine Szene in der ein Ehepaar einen älteren Herrn begrüßt.)

Es gäbe so vieles zu berichten allein aus dieser kleinen Einheit. Ein ghanaisches Sprichwort hat mich jedoch besonders angesprochen. Es lautet: „Die Henne schämt sich nicht für ihren Stall.“ Dahinter steckt die Botschaft, dass sich niemand für seine Herkunft oder sein Zuhause schämen sollte ebensowenig wie für seine Familie, da diese diejenigen sind die uns auf unserem Lebensweg begleiten und unterstützen.

Inhaltlich schlossen wir unser Programm mit dem Vortrag von Johannes welcher eine philosophischen Sichtweise auf das gute Leben eröffnete. Diese begründete weshalb verschiedene Ansichten und Perspektiven über „das gute Leben“, welche sich augenscheinlich widersprechen, nicht zwangsläufig verschiedene sondern die gleiche Realität beschreiben können.

Verdeutlicht wurde dies mithilfe folgenden Bildes: Drei Personen treffen in einem dunklen Raum auf einen Elefanten, können diesen jedoch nicht sehen. Die erste bekommt den Schwanz des Elefanten zu fassen, die zweite ein Bein und die dritte Person den Rüssel. Während die erste Person davon ausgeht einen Pinsel in der Hand zu halten, hält die zweite Person dagegen dass sich das, was sie ertastet ganz klar wie ein Baumstamm anfühlt. Die dritte Person welche den Rüssel hält ist hingegen nicht davon abzubringen, dass es sich um eine Schlange handeln muss, da es sich windet und bewegt und den gleichenden Umfang wie eine Schlange hat. Würden die drei Personen nicht auf ihre Sichtweise beharren, sondern stattdessen versuchen, ihre Perspektiven miteinander in Einklang zu bringen und so lange zu forschen, bis sie sowohl die Ausgangssituation der anderen als auch die die Zusammenhänge verstünden, so würden sie sich einig finden.

Eleonora

Und plötzlich wird es richtig tiefgründig

Heute ging der inhaltliche Teil der Konsultation/Beratung („consultation“) so richtig los, und das in großen Schritten auf allen Ebenen:

Wir – die Teilnehmenden der Konsultation, aus Ghana genauso wie aus Deutschland – haben eine breite Vielfalt von Themen angesprochen und eine große Anzahl von Informationen, Überlegungen und Meinungen ausgetauscht. Gleichzeitig sind wir an mehreren Stellen sehr tief in die Themen eingetaucht und haben dabei zunehmend vielstimmig und offen unsere Gedanken ausgetauscht. Dabei ist es uns aus meiner Sicht zudem gelungen, behutsam darauf zu achten, Perspektiven in einer für die jeweils anders Denkenden annehmbaren Weise zu formulieren und dennoch zunehmend kontroversere Standpunkte sowohl ernsthaft in Betracht zu ziehen als auch nebeneinander stehen lassen zu können. Das hat dazu geführt und war nur möglich, dass wir / weil wir uns im Laufe des Tagesprogramms auf persönlicher Ebene besser kennengelernt und angenähert haben. Auch wenn, wie jeden Tag, viel zu viel passiert ist, als dass alles in diesem Blogeintrag erwähnt werden könnte, möchte ich doch zumindest einige der inhaltlichen Aspekte etwas näher beleuchten, um einen Einblick sowohl in einige der Gedanken auf der Konferenz als auch die interkulturelle Begegnung festzuhalten.

Der Tag begann, nach dem Frühstück und einer für mich schnell selbstverständlich gewordenen Teilnahme an der täglichen kurzen Andacht und Bekanntgabe wichtiger Informationen der Mitarbeiter in der Hauptgeschäftsstelle der E.P. Church, mit einem Treffen mit dem Vorstand der Kirche, dem Standing Committee. Für mich war dies eines von vielen Beispielen, das einerseits zeigte, wie viel üblicher als in Deutschland ein höflicher Umgang und Respekt vor den Leistungen und der Lebenserfahrungen anderer, insbesondere Älterer sind; das andererseits aber auch deutlich machte, wie eine Kultur der Bedeutsamkeit von Titeln, Positionen und Hierarchieebenen nicht nur einen Austausch auf Augenhöhe zu einem gewissen Grad unmöglich macht, sondern es noch viel grundsätzlicher deutlich erschwert, in diesen Gesprächen die tatsächlichen Perspektiven einiger, geschweige denn aller anwesenden Personen und Hierarchieebenen zu hören. Es passiert leicht, dass nur bestimmte Repräsentanten der höher angesehenen Ebenen sprechen und etwaige Beiträge anderer Personen stark von den Aussagen und Fragen dieser Repräsentanten gefärbt sind. Das war im Laufe des restlichen Tages deutlich anders und ist aus meiner Sicht auch keineswegs gleichzusetzen damit, aufmerksam die Position anderer aufzunehmen und nicht jede kritische Perspektive zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu äußern, was auch im weiteren Verlauf vermieden wurde und einer Wertschätzung der Position der anderen entsprang, die einen behutsamen und zunehmend offeneren Austausch erst ermöglichte.

Henry und Wisdom eröffneten uns am Vormittag mit einem umfassenden und aufschlussreichen Vortrag einen Blick auf traditionell-ghanaische Perspektiven auf das gute Leben. Im Anschluss gab Saskia einen relativ kurzen, aber sehr intensiven Einblick in ihre Sichtweise auf ein christliches gutes Leben, basierend auf ihren ganz persönlichen Erfahrungen mit gelebtem Glauben in der ESG. Durch diese beiden sehr unterschiedlichen und für mich als Einführungen in das Thema sehr stimmigen Beiträge konnten alle Anwesenden sich sehr gut auf eine von Saskia angeleitete Übung einlassen, in der wir anhand von Bildern in Kleingruppen individuelle Sichtweisen darüber austauschten, was christliche Perspektiven auf das gute Leben ausmachen könnten.

Nach einer ausgiebigen Mittagspause schlossen Godsway und Victoria mit einem fokussierten Vortrag an das Thema vom Vormittag an und erläuterten die christliche Perspektive der E.P. Church auf das gute Leben. Wie sich vorher schon andeutete, kristallisierte sich deutlich heraus, dass die anwesenden ghanaischen Studierenden sehr fest in dem Glauben stehen, dass ein gutes Leben zu haben zwar auf verschiedenen Wegen möglich ist, das tatsächlich und dauerhaft gute Leben aber nur im Glauben an Christus zu finden ist. Daraus ergab sich für sie ein klarer Auftrag, das Christentum zu verbreiten, dem sie in ihrem Alltag sowohl individuell als auch kollektiv in koordinierten, teilweise mehrwöchigen Aktionen der Studierendengemeinde nachkommen.

Insbesondere die Erzählungen von Erfolgen, in muslimischen Regionen eine Kirche zu gründen und viele anfänglich wenig interessierte Menschen zum Christentum zu bekehren, irritierten viele der Deutschen sehr. Die intensiven Gespräche des Vormittags öffneten jedoch den Raum für die konstruktive Äußerung unterschiedlicher Meinungen zu dem Thema. Dies führte zunächst dazu, dass von den Vortragenden abweichende Meinungen ausgesprochen werden konnten, ohne dass diese als Angriff wahrgenommen wurden. Im Verlauf des weiteren Gesprächs entfaltete sich dann ein sehr viel differenzierteres Bild, das zwar diese klare, aus meiner Perspektive etwas zu unhinterfragte und absolute Überzeugung beinhaltete. Dieser Überzeugung wurde aber unter anderem zur Seite gestellt, dass häufig auch Gespräche mit Andersgläubigen geführt werden, in denen deutlich ist, dass die anderen ebenfalls fest in ihrem Glauben stehen, und die sich dann selbstverständlich einem Austausch über soziale Fragen und mögliche Lösungsanwendungen zuwenden und die mit einer gegenseitigen Ermutigung enden, im jeweils eigenen Glauben zu bleiben und für die Besserung der Welt zu arbeiten. Sie wurde ergänzt mit einer Praxis institutioneller Zusammenarbeit der christlichen und muslimischen Institutionen unter anderem im Bereich der HIV-Prävention.

Meine Wahrnehmung verschob sich schrittweise dahingehend, dass ich zwar immer noch verfechte, dass eine selbstkritische Betrachtung der eigenen Überzeugungen und die demütige Haltung, sich irren zu können, enorm wichtig sind und gefördert werden sollten; dass das klare Vertreten und Verbreiten der eigenen christlichen Sichtweise der mit uns beratenden ghanaischen Studierenden aber, trotz der Radikalität der Überzeugung das gute Leben sei außerhalb des Glaubens an Jesus Christus nicht zu finden, nicht verbunden zu sein scheint damit, anderen ihren Glauben nehmen zu wollen, nicht mit Andersgläubigen zu kooperieren oder Menschen bewusst in den Glauben drängen zu wollen. Nicht nur der Wunsch nach dem Bestmöglichen für alle scheint mir aufrichtig zu sein und das Handeln zu bestimmen, sondern auch die Überzeugung, dass alle die Freiheit haben müssen, selbst zu wählen.

Selbstverständlich bleiben Aspekte, die ich kritisch sehe. Zum Beispiel erscheint mir die Missions- und allgemeiner die Glaubenspraxis, so motivierend und inspirierend sie für immer mehr Menschen in Ghana sein mag, in problematischerweise manipulierend zu sein und dazu zu erziehen, Verkündigung und Predigt unhinterfragt als Wahrheit anzunehmen. Aber es bleibt für mich nicht nur die Frage, wie die bewundernswerte Emotionalität, Lebendigkeit und Überzeugungskraft der hier vorherrschenden religiösen Praxis a) ohne die von mir wahrgenommenen Aspekte der Manipulation, Obrigkeitshörigkeit und blinden Nachahmung und b) im europäischen Kulturraum möglich sein könnten. Es bleibt auch der deutliche Eindruck, dass etwas zunächst radikal negativ Erscheinendes in der Realität doch sehr viel differenzierter ist und ich mich freue, zunächst nur zugehört und die Gemeinsamkeiten fokussiert zu haben.

Weil das ja noch nicht genug ist, haben wir uns nach einer kurzen Pause drei sozio-ökonomischen Modellen zugewandt, die in Deutschland aktuell diskutiert werden und die alle drei für sich beanspruchen, zum guten Leben beizutragen: Die Lohnarbeit, wie sie aktuell verbreitet ist, das bedingungslose Grundeinkommen, und eines recht unbekannten Modells, das den Arbeitsbegriff erweitern will und vorschlägt, ein Grundeinkommen für all diejenigen zu ermöglichen, die 40 Stunden/Woche beliebiger Arbeit nachweisen. Auch wenn uns danach ganz schön die Köpfe rauchten, war es gut, uns im Anschluss an das sehr ins persönliche übergegangene Thema das christlichen guten Lebens vor dem Ende des Tages noch einmal mit etwas abstrakteren Themen wie der Definition von Arbeit zuzuwenden und festzustellen, dass die ghanaischen wie deutschen Studierende bei Fragen wie „Sind Menschen dazu veranlagt, faul zu sein?“ bunt verteilte Meinungen haben, die sich keineswegs an nationaler Zugehörigkeit festmachen lassen.

Etwas überschattet wurde der ganze Tag leider von dem Umstand, dass von uns Deutschen alle bis auf drei zu dem einen oder anderen Zeitpunkt aufgrund von Magenproblemen für mehrere Stunden ausfielen. Glücklicherweise ging es jedoch zum Ende des Tages allen zumindest ein bisschen besser. Und die Intensität, mit der die ghanaischen Freunde um unser aller Gesundheit bemüht waren und sind, war sehr berührend – neben aller physischen Unterstützung auch in der emotionalen Verbundenheit, die sie in ihren Gebeten für unsere Gesundheit ausdrückten.

Ein nachdenklicher, sehr positiv gestimmter Gruß aus der Volta Region

Johannes

Montag, 13.08.18 Ho

Wo soll man nur anfangen? Am besten am Morgen. Wann war der Morgen? An einem Tag passierte so viel, wie sonst gefühlt nur in einer Woche.

Aber nun von vorne: Das Frühstück war ausgesprochen lecker, sodass wir gestärkt waren, um danach zur Morgenandacht zu gehen. Am Ende wurden wir aufs herzlichste willkommen geheißen und unterschiedlichste Grußworte wurden ausgetauscht. Anschließend ging es für uns zum Office der Projektarveit der E.P.C. Dort wurde uns die Projektarbeit erklärt und alle Fragen beantwortet. Die Projekte beinhalteten z.B. HIV-Aufklärung oder Gleichberechtigungsarbeit. Geduldigt wurden alle unsere Fragen beantwortet, bevor wir zurück zum Hotel gingen, um uns mit einem kleinen Snack zu stärken.

Die nächste Station war mit dem E.P.C.-Trotro erreichbar. Auf dem Weg hielten wir an einer Wechselstube und die Hälfte der Deutschen stieg einmal aus, um in einer Schneiderei Stoffe, Maße und Wünsche abzugeben.
Das eigentliche Ziel der Fahrt war jedoch eine Weberei, wo traditionelles Kente hergestellt wurde. Uns wurden die Webstühle gezeigt, aus denen ettliche Fäden in Bahnen herausgingen. Natürlich in wunderschönen Farben. Der Webstuhl selber war sehr komplex. Große Steine hielten ihn an seinem Platz und das Ende der Schnüre ein paar Meter weiter an ihrem. Die Schnüre wurden mit Platzhaltern aus Bändern auseinander gehalten. Vor dem Webenden kreuzten sich die Schnüre und mit schnellen Fingern ließen sie Schiffchen von links nach rechts flitzen. Aber Weben ist nicht nur Handarbeit. Am Boden jedes Webstuhls waren zwei Pedale und ungefähr vier Schnüre, die oben für ein Auf und Ab sorgten. Die jungen Männer waren aber alle so flott drauf, das es schwierig war den Prozess zu verfolgen. Nachdem uns der Chef des Kente Weaving Centers die Geschichte des Kente erzählt und alle Fragen geduldig und ausschweifend beantwortet hat, wurde uns bewusst, was für ein unglaublich aufwendiger Prozess es ist und was für eine riesengroße Arbeit dahinter steckt. Ein paar Souvenirs aus Kente haben dann noch den Besitz gewechselt, sodass es für uns glücklich zurück zum Hotel gehen konnte.

Dort erwartete uns ein reichen Mittagessen (Bankoo, RedRed..), nach welchem wir eine Pause einlegten.
Anschließend ging unsere Konsultation offiziell los. Nach einer Begrüßung und Lagebesprechung konnten wir flott weitermachen und stiegen mit einem Spiel ein, das Saskia mit Elorm vorbereitet hat. Das Spiel führte uns anschließend zu einer großen Diskussion über das Gute Leben, eine existente oder nicht existente Realität und Regeln der Gesellschaft. Jetzt mag die Frage aufkommen, was das für ein komplexes Spiel gewesen sein mag. Wenn man es nüchtern beschreibt, wurde nur eine Schere entweder geöffnet oder geschlossen herumgegeben mit einer von zwei Aussagen und man erntete entweder ein Ja oder ein Nein von der Spielleiterin. Dass sich eine so tiefgründige Diskussion mit so vielen verschiedenen Perspektiven ergibt, war unvermutet.

Danach war Zeit in Zweiergruppen umherzuschlendern und sich über das gute Leben auszutauschen. Die meisten Gedanken wurden anschließend in der großen Runde geteilt. Was das gute Leben ist und ob es überhaupt eines gibt….. Wer weiß. Sicher ist, dass wir ganz viele wunderbare Ideen davon haben, was es sein kann.

Und so endet der offizielle Teil. Das Abendessen war wie erwartet sehr gut. Die deutschen Studierenden erfreuen sich daran immer öfter Ananas essen zu können. Generell ist die Stimmung sehr gut und es entstehen viele Gespräche.
Gewiss erwartet uns morgen ein wunderbarer Tag. Den heutigen lassen wir nun jedenfalls in Ruhe bei Bier und Moskitosprayduft ausklingen.

Liebe Grüße an die Heimat und vielen lieben Dank für’s Lesen

Gottesdienst in Accra und unsere Ankunft in Ho

Ho, der 12.8.2018

Nach einer ziemlich kurzen Nacht ging es für uns um sieben Uhr zum Frühstück. Dann brachte uns Timothy, unser Fahrer nach Madina EPCG, wo wir die Studierenden von der Legon-Universität zum ersten Mal kennenlernten und mit ihnen den Gottesdienst feierten. Es war ein großer Einführungsgottesdienst für den neuen Moderator des Christian Councils of Ghana, der sich über mehrere Stunden hinzog (wir blieben allerdings nur drei Stunden). Die Veranstaltung wurde begleitet von viel Gesang und einer Predigt des Moderators der EPCG, Rt. Rev. Dr. Seth Agidi. Wir konnten unsere Augen kaum von den vielen Teilnehmern nehmen, die in ihren farbenfrohsten Sonntagskleidern gekommen waren. Teile dieser Predigt ließen uns aufhorchen, da er die schlechten Seiten der Gesellschaft ansprach, die wir als Christen bekämpfen müssen, wie Korruption und Homosexualität. Das führte bei uns zu betroffenen Gesichtern. Mir scheint, dass das Thema der Homosexualität in den beiden Schwesterkirchen in Togo und Ghana momentan vielfach diskutiert und angesprochen wird.

Abgesehen davon, war es ein sehr schöner Gottesdienst, der nachdem wir uns zum Mittagessen verabschiedet hatten, immer noch weiterging. Nach unserem Mittagessen machten wir uns schließlich auf nach Ho, gedrängt in einem Kleinbus ging es über Geschwindigkeitshuckel, die dafür da sind, dass Autos ihre Geschwindigkeit begrenzen und Schlaglöcher. Einige von uns konnten sogar ein wenig Schlaf nachholen. In Ho wurden wir herzlich von Rev. Eric Gle begrüßt und in Empfang genommen, der uns half, dass wir alle auf unsere Zimmer fanden. Das Abendessen um 6 war angerichtet mit Reis, Hähnchen und frittiertem Fisch sowie einem Salat und Pommes. Im Anschluss daran gab es in der Gruppe noch eine kurze Vorstellungsrunde mit den Studierenden, Bridget und Andreas. Teile der deutschen Reisegruppe fanden sich schließlich bei Bier und Softdrinks in der Sommerhütte wieder, wo sie sich unter den Eindrücken des sehr lauten Gottesdienstes (bzw. wohl eher ein Festival) der Kirche nebenan noch in einige Diskussionen verstrickten. Für mich jedenfalls war früh Feierabend, ich ging um 9 ins Bett und versuchte bis 10 Uhr die laute Musik von nebenan auszublenden, die dann endlich ein Ende fand.

Nele