Wieder ging ein ereignisreicher Tag zu Ende. Begonnen hatte er mit einem „bible sharing“. Dieses beinhaltete neben Lieder singen (was unserer Gruppe jedes Mal viel Freude bereitet) das Lesen und Meditieren über eine Stelle aus der Bibel. Es war eine Stelle welche das gute Leben beschreibt. Es überraschte mich hierbei, dass die Deutschen, Englischen und Ghanaisch-Englischen Bibeln, welche wir zur Hand hatten fünf verschiedene Übersetzungen der gleichen Textstelle bereithielten. Der Austausch über Interpretationen aus deutscher und ghanaischer Perspektive und zugleich aus christlicher, atheistischer und Bahá’í Perspektive, ergänzt durch die Lesart eines Pastors und einer Pastorin gegenüber der Lesart von Studierenden war für mich enorm spannend und half verschiedene Interpretationen und Perspektiven offen zu kommunizieren und anzunehmen.
Elom und Ezekiel präsentierten die Forschungsergebnisse ihres Uni Projektes in dem sie versuchten anhand von Umfragen die sozio-ökonomischen Verhältnisse der Studierenden der Universität in Accra (Ghanas Hauptstadt) zu messen. Ausschlaggebend hierfür war insbesondere auch die Art der Studierenden zu wohnen. Überrascht hat mich zu erfahren, dass es üblicherweise eine kleine Anzahl von Studierenden gibt, welche sich weder private oder universitäre Unterkünfte noch Essen leisten können. Daher kennen auch die beiden Vortragenden Studierende, welche bei Freunden unterkommen oder ihre Habseligkeiten unterbringen, welche in der Bibliothek oder anderen Universitätsgebäuden übernachten und Wege finden an Nahrungsmittel zu kommen. Es gäbe zwar die Möglichkeit Hilfe zu beantragen, leider aber auch Gründe diese auszuschlagen. Auf der einen Seite bin ich betroffen von der finanziellen Ausgangslage dieser Studierenden und auf der anderen Seite zutiefst beeindruckt von ihrer Willenskraft. Ihr Wunsch zu lernen muss so groß sein, dass sie alles auf sich nehmen um ihren Weg zu gehen.
Aufbauend auf die bereits gehörten Vorträge und Workshops diskutierten wir nun in Kleingruppen welche sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen „gutes Leben“ fördern oder behindern. Unter den förderlichen Strukturen wurden unter anderem aufgezählt ein staatlich gefördertes und fortschrittliches Bildungssystem, freie und faire Wahlen, Respekt vor Menschenrechten und damit verknüpft das Fördern von Wissen über die eigenen Rechte, eine unabhängige Justiz, globale Kooperation von Staaten um globale Herausforderungen gemeinsam anzugehen, Mikro-/Kleinkredite um Unternehmertum und Selbstständigkeit leichter zu ermöglichen und intensive familiäre und nachbarschaftliche Unterstützung. Oh Stromausfall. Das ist heute schon häufiger vorgekommen. Mal ist es der Strom und mal das Wasser das nicht mehr zur Verfügung steht. Aber dafür gibt es ja die Wassertonnen in den Badezimmern. Taschenlampe an und weiter geht’s beim Verfassen des Blogs.
Unsere Freunde brachten uns ein Christliches Lied in zwei verschiedenen Sprachen Ghanas bei und wir hatten viel Freude daran, den gleichen Text anhand des deutschen Liedes „Preiset den Herrn“ mit zugehörigen Bewegungen gemeinsam zu singen. Beide Lieder werden wir im morgigen Gottesdienst performen.
Extrem interessant und aufschlussreich war heute auch die kreative Präsentation von Ghanaischer Etiquette, Tabus und typischen Sprichwörtern. Mit Hilfe von kleinen Theaterszenen und Rätseln durften wir einen Einblick in die Kultur unserer Freunde erhalten, die uns inzwischen sehr ans Herz gewachsen sind. Wir haben viel gelacht. (Das Foto zeigt eine Szene in der ein Ehepaar einen älteren Herrn begrüßt.)
Es gäbe so vieles zu berichten allein aus dieser kleinen Einheit. Ein ghanaisches Sprichwort hat mich jedoch besonders angesprochen. Es lautet: „Die Henne schämt sich nicht für ihren Stall.“ Dahinter steckt die Botschaft, dass sich niemand für seine Herkunft oder sein Zuhause schämen sollte ebensowenig wie für seine Familie, da diese diejenigen sind die uns auf unserem Lebensweg begleiten und unterstützen.
Inhaltlich schlossen wir unser Programm mit dem Vortrag von Johannes welcher eine philosophischen Sichtweise auf das gute Leben eröffnete. Diese begründete weshalb verschiedene Ansichten und Perspektiven über „das gute Leben“, welche sich augenscheinlich widersprechen, nicht zwangsläufig verschiedene sondern die gleiche Realität beschreiben können.
Verdeutlicht wurde dies mithilfe folgenden Bildes: Drei Personen treffen in einem dunklen Raum auf einen Elefanten, können diesen jedoch nicht sehen. Die erste bekommt den Schwanz des Elefanten zu fassen, die zweite ein Bein und die dritte Person den Rüssel. Während die erste Person davon ausgeht einen Pinsel in der Hand zu halten, hält die zweite Person dagegen dass sich das, was sie ertastet ganz klar wie ein Baumstamm anfühlt. Die dritte Person welche den Rüssel hält ist hingegen nicht davon abzubringen, dass es sich um eine Schlange handeln muss, da es sich windet und bewegt und den gleichenden Umfang wie eine Schlange hat. Würden die drei Personen nicht auf ihre Sichtweise beharren, sondern stattdessen versuchen, ihre Perspektiven miteinander in Einklang zu bringen und so lange zu forschen, bis sie sowohl die Ausgangssituation der anderen als auch die die Zusammenhänge verstünden, so würden sie sich einig finden.
Eleonora