Friedhof und Eisenbahn – Deutsche Kolonialspuren in Togo

Als am 5. Juli 1884 die deutsche Flagge in Bagida, Togo gehisst wurde, war vermutlich den wenigsten bewusst, dass dieses Land in ein paar Jahren als die deutsche „Musterkolonie“ in Afrika bezeichnet werden würde. Im Vergleich zu anderen Kolonien, unternahmen die Kolonialherren in dem neu besetzten Land größere Anstrengungen im Bereich des Schul- und Gesundheitswesens, sowie im Handel und der Wirtschaft.

Nach dem Handelszentrum Lomé war es unter anderem die kleine Stadt Kpalimé, die sich aufgrund seiner Lage, den Waren und dem für die Deutschen angenehmen Klima, zu einem wichtigen Handels- und Marktort entwickelte.

Bis heute noch kann man in und um die Stadt herum die Ruinen der einstigen Kolonialherren aus Deutschland erkennen.

Ich war vor Ort und habe mich mit Hilfe der leicht vergilbten Anzeigetafeln, die neben den kolonialen Spuren auf Deutsch, Französisch und Ewe Informationen vermitteln, informiert.


Misahöhe

Nachdem in Lomé der Herrschaftssitz der deutschen Verwaltung mit einem Gouverneur an der Spitze gefestigt war, wurden die südlichen Regionen Togos in zehn Bezirke eingeteilt. Jeder dieser Bezirke enthielt jeweils eine Bezirksstation mit einem Bezirksvorsteher, welcher, entsandt von dem Gouverneur, in seinem Bezirk für Ruhe und Ordnung zu sorgen hatte.

Kpalimé war damals Zentrum des Bezirks „Missahohé“. Die dazugehörige Station „Misahöhe“, wurde 1890 in den Bergen von Kloto, ca. 18 km von Kpalimé entfernt, gegründet. Der Betreiber und damalige Gouverneur Togos Jesko von Puttkamer benannte sie nach seiner Jugendromanze Mária Esterházy de Galántha, dessen Spitzname Misa war.

Bis heute noch besteht dieser Name.

Kolonialer Anspruch

Die Station war strategisch gut gelegen. Sie sicherte den Deutschen Zugang zu den zuvor schwer erreichbaren Gebieten in den Bergen und förderte somit den deutschen Handel. Doch vor allem die kolonialpolitische Bedeutung, die von dem Bau der Station ausging, schien den Deutschen von Vorteil zu sein. Misahöhe lag in einem damals umstrittenen Gebiet zwischen Großbritannien und Deutschland. Jetzt, wo die Deutschen eine Station am einzigen über die Togogebirgskette führenden Pass gebaut hatten, bekräftigten die Deutschen ihren kolonialen Anspruch.

Auf dem Gelände der Station wurden mehrere Gebäude wie Verwaltungsgebäude, Lagerräume, ein Wohnhaus für die Familie des Stationschefs und später auch ein Gefängnis gebaut. Selbst ein Friedhof ist heute noch zu besuchen. Er ist unter den Togoerinnen und Togoern noch als „cimetière des allemandes“ (Friedhof der Deutschen) gut bekannt. Auf ihm liegen die Stationsleiter mit ihren Familien unter Palmen begraben.

Nach 1900 entwickelte sich der Bezirk Misahöhe zu einem Standort gewinnbringender Exportwaren wie zum Beispiel Kakao. Auch die Missionsgesellschaften, unter anderem die Norddeutsche Mission, hatten sich in Kpalimé angesiedelt. Die Zahl der dort lebenden Europäer*innen stieg innerhalb von sechs Jahren von 53 im Jahr 1907 auf 84 Personen im Jahr 1913. Um ihre medizinische Versorgung zu verbessern, wurde 1907 ein Arzthaus errichtet. Es war das erste Gebäude, das von der deutschen Regierung im Landesinneren gebaut wurde, und ist bist heute das älteste noch stehende Krankenhaus in Togo. Wie so häufig überließen die Kolonialherrn den Bau des Hauses den Einheimischen, deren Arbeit als Steuerleistung galt.

Heute ist das Krankenhaus zu einer Krankenstation umgebaut, in der Vorsorgeuntersuchung gemacht werden.

Eisenbahnlinie

So richtig konnten die Deutschen ihre Machtposition in der Kolonie erst ab dem 20. Jahrhundert festigen. Die Grenzen um 1900 waren so festgelegt, dass ein Gebirgszug das Land in der Mitte durchtrennte. Die Handelswege zum Handelszentrum Lomé an der Küste war den Einheimischen dadurch um einiges erschwert. Sie führten nicht direkt zur Küste, sondern den Flüssen nach in die benachbarten britischen (heute Ghana) und französischen Kolonien (heute Bénin). Als Lösung für dieses Problem sahen die Kolonialherren den Bau von Eisenbahnlinien. Mit der Fertigstellung der ersten Eisenbahnlinie, der sogenannten „Kokosnussbahn“ zwischen Lomé und Aného, konnten die Waren schneller und bequemer zum Hafen gelangen.

Die Spuren der zweiten Bahn, der „Kaffee- und Kakaobahn“, sind in Kpalimé noch gut zu erkennen. Feierlich eröffnet wurde die 119 km lange Bahnstrecke am 27. Januar 1907 zum Geburtstag Kaiser Wilhelms II.. Auch sie sollte den Handelsweg von Kpalimé nach Lomé für Agrargüter vereinfachen wie Kakao, Ölpalmen und Kaffee, die in der Region in großen Mengen geerntet wurden. Auch einige Waggons für den Personenverkehr kamen zum Einsatz. Am Ende der deutschen Kolonialzeit gab es in Togo insgesamt eine Schienenstrecke von 327 km.

Mit der Mandatsübernahme der Franzosen nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg waren auch die Bahnlinien in Togo in französischen Händen. Da diese für sich keinen Vorteil in der Investition der Bahnen sahen, blieb der Geldhahn für nötige Sicherheitsmaßnahmen und Erneuerungen zu, und die Bahn wurde sich selbst und den Togolesen überlassen. „Sie fuhren bis es sicherheitstechnisch und mechanisch nicht mehr möglich war“, sagte mir Kudzo Agbenu Alotsi. Offiziell sind die Bahnen seit 1990 stillgelegt. Übrig bleiben die Schienen, die vereinzelt noch aus dem Boden ragen.

Die Natur greift sich schnell zurück, was ihr einst gehörte.

Ausbeutung

Der Historiker versuchte, mir am Beispiel der Bahnlinien zu erklären, warum seiner Meinung nach viele Togoerinnen und Togoer heute überschwänglich positiv über die deutsche Kolonialzeit reden und eher negativ über die französische.

Sicher, jede Art von Kolonialismus bedeute Ausbeutung und sei schlichtweg nicht schön zu reden, meinte er. So sei es wichtig zu bedenken, dass bei jeder Umsetzung der oben genannten Pläne der Deutschen, Einheimische unter unmenschlichen Bedingungen, häufig ohne Lohn zur Arbeit gezwungen wurden.

Doch vergleiche man die zwei europäischen Kolonialmächte, die das Land und seine Bewohner*innen insgesamt über 76 Jahre lang besetzten, so habe die eine deutlich mehr nachhaltige und innovative Entwicklungen (wie die Bahnlinien) in das Land gebracht als die andere. Wenn auch natürlich nicht auf Augenhöhe, sei es mit den Deutschen mehr ein Austausch zwischen den Einheimischen und der Kolonialherrschaft gewesen. Die Franzosen hingegen seien mehr auf das Nehmen aus gewesen und nur wenig – soweit sich die Togoer heute noch erinnern können – sei zurück gekommen. Dadurch, dass die Deutschen zu ihren eigenen Gunsten darauf bedacht waren, großen Aufwand in die Wirtschaft und somit auch die Infrastruktur des Landes zu legen, profitierten auch die Einheimischen von dem Prinzip „Musterkolonie-Togo“.

Umso wichtiger ist es meiner Meinung nach, dass neben den noch sichtbaren Spuren der Deutschen heute Hinweis-Tafeln in drei verschiedenen Sprachen Passanten informieren. So werden einem auch die Schattenseiten, die der Kolonialismus mit sich bringt, wieder ins Gedächtnis gerufen. Ganz egal, wer diese Kolonialisten waren.

Bäckerei Babalima (Bouba), Sokodé

Ich habe mich lange nicht mehr hier gemeldet, aber es fällt mir einfach sehr schwer all meine Erlebnisse und Gedanken in Worte zu fassen.

Also habe ich mir überlegt öfters kleine kurze Schnipsel aus meinem Leben in Kpalimé zu teilen. Das kommt jetzt frisch aus meiner Notizen App auf dem Handy. Es kann also vorkommen, dass sich ein paar Fehler einschleichen..

Dieses Mal möchte ich gerne eine kleine Story von unserer Reise durch Togo erzählen:

Anfang Januar haben Johanne und ich gemeinsam mit zwei weiteren deutschen Freiwilligen Joshua und Vanessa eine Reise nach Kara und Sokodé, zwei Städte im Norden Togos, unternommen.

Die Nacht vor unserer Rückreise nach Kpalimé haben wir in einem kleinen Hotel mit angeschlossener Bar und Bäckerei in Sokodé verbracht.

Bäckereien und Gebäck sind eher selten in den Teilen Togos, die ich bis jetzt besucht habe und mir fehlt deutsches Gebäck wirklich sehr. Deswegen habe ich mich umso mehr über Kuchen, Brioches und sogar Berliner (Krapfen, Pfannkuchen, …) gefreut.

Für unsere Abreise früh morgens war bereits alles organisiert. Wir waren mit Bustickets für den Bus um 6:00 Uhr ausgestattet und hatten uns zwei Motofahrer für den Weg zur Busstation besorgt. Unser Plan war es gegen 5:00 Uhr noch einmal die Bäckerei aufzusuchen um uns Proviant für die Reise zu kaufen. Mir kam es logisch vor, dass Bäckereien normalerweise sehr früh aufmachen, aber als wir um 5:00 Uhr auf dem Innenhof des Hotels standen, war noch alles dunkel. Wir trafen nur den Nachtwächter an, der gerade dabei war, die Pflanzen zu gießen. Er schickte uns zu seinem „Patron“, den wir auf der anderen Seite des Hofes fanden. Es stellte sich heraus, dass der „Patron“, Herr Bouba, der Besitzer des gleichnamigen Hotels und der Bäckerei war. Er führte uns durch seine Backstube von hinten in den Verkaufsraum und wir kauften zwei restliche Brioches. Als wir erzählten, dass wir Deutsche sind, schenkte Herr Bouba uns dazu einen ganzen Kuchen und zeigte uns seinen Meisterbrief. „Kennt ihr Mannheim? Da habe ich meinen Meister gemacht.“, sagte er auf deutsch. Johanne kommt aus Mannheim und kannte sogar die Bäckerei, in der Herr Bouba gearbeitet hat. Danach zeigte er uns sein Büro und sogar ein Bild, auf dem er Helmut Kohl die Hand schüttelt. Keine fünf Minuten später hatte er uns alle mit heißem Kakao versorgt. „Wie kommt ihr zur Busstation? Ich kann euch hinfahren!“, schlug er vor. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen und saßen kurz darauf in seinem großen Geländewagen, der uns superschnell zum Bus fuhr. Wir verabschieden uns und stiegen in den Bus.

Dieses Erlebnis hat mir, wie so oft hier in Togo, gezeigt, dass unerwartete Zufälle und hilfsbereite Menschen sehr wertvoll sind und man nie scheuen sollte jemandem eine Freude zu machen. Ich kann dir die Bäckerei Babalima in Sokodé wärmstens empfehlen!

Ich hoffe dir hat dieser Eintrag gefallen.

Bis zum nächsten Mal!

Kakao aus der Bäckerei Bouba
Die große Moschee in Sokodé
Mit Motos auf Hotelsuche

Weihnachten In Anders Und Doch So Ähnlich

Die Weihnachtszeit hat doch immer etwas magisches an sich. Die Straßen sind geschmückt, zu Hause wird es heimelig und es duftet nach Zimt, Glühwein, Spekulatius und vielem mehr – Weihnachten eben.

Meine Weihnachten sahen bisher immer sehr ähnlich aus: Tannenbaum im Wohnzimmer, viele verschiedene Variationen von Plätzchen, Adventskalender, Adventskranz, Weihnachtsmarkt Besuche mit Glühwein und -ganz wichtig- Familie. Kommt euch diese Aufzählung der Weihnachtsbräuche vielleicht auch so vertraut vor?

Ich kenne es so, dass für viele in Deutschland das Weihnachtsfest und die Adventszeit davor eine wichtige Angelegenheit darstellen, und teilweise so ein Tamtam darum gemacht wird, dass dadurch sogar diese schöne Zeit zu einem Stressfaktor wird. Selbst die deutschen Kirchen sind zu Weihnachten auf einmal überfüllt! Naja, ihr wisst wahrscheinlich wie Weihnachten in Deutschland aussieht.

Ich möchte euch jetzt ein bisschen über meine Weihnachten in Togo erzählen.

Wir wurden schon früh darauf vorbereitet, dass Weihnachten in Togo anders sein würde. Sowohl unsere Vorfreiwilligen, als auch die Togolesen mit denen wir dann Vorort redeten, wollten uns wohl schon so früh wie möglich auf den Boden der Tatsachen ziehen. So wurde uns gesagt: „Weihnachten ist hier nicht so ne große Sache, sondern eher das Fest für Kinder. Silvester ist viel cooler!“

Und so in der Art war es dann auch: Wenn man nicht genau darauf geachtete hätte, und bemerkt hätte, dass beispielsweise die Kinder Weihnachtslieder in der Schule sangen, hätte man sonst in Kpalimé nicht wirklich mitbekommen, dass es Weihnachten war. Insofern wussten wir, dass wir es selber in der Hand hatten, unser erstes Weihnachten von zu Hause entfernt so schön wie möglich zu gestalten.

Dazu kam, dass das Weihnachts-feeling nochmal schwieriger zu empfinden war, während draußen täglich die Sonne schien und die Bäume grünes Laub trugen. Es war „harmattan“ Zeit (Trockenzeit), und das letzte Mal geregnet hatte es Anfang Dezember. Die Tage wurden immer heißer; Mittags bis 35 Grad, während die Nächte immer kühler wurden; bis mind. 20 Grad. Unsere Kreativität war also gefragt.

(Allerdings muss man erwähnen, dass wir das große Glück hatten, Ende November eine Besucherin der NM aus Deutschland in Empfang nehmen zu dürfen. Sie hatte freundlicher Weise zwei Pakete von Rosas und meiner Familie mitgebracht. Darin waren so einige Überraschungen, die uns halfen unser deutsches Weihnachtsfest nach Togo zu bringen. Somit ist es also nicht nur unser Verdienst gewesen, und wir bedanken uns nochmal ganz herzlich bei den Weihnachtswichteln aus Deutschland und für die Übermittlerin!)

Was wir also taten war folgendes:

  • Dekoration: Deko an den Wänden kann wirklich viel bewirken! In unserer Wohnung hatte das von Anfang an ein bisschen gefehlt. Zu Weihnachten wollten wir nicht auf weiße Wände schauen. So bastelten wir uns aus Papier Sterne in verschiedenen Arten/Größen und hingen sie auf. Rosa schuf aus Eierkartonresten kleine Weihnachtsbäume, die wir auf einem Schrank platzierten. Ich währenddessen zeichnete die Weihnachtsgeschichte auf Papier, auf Nachfrage der Kindergärtnerin um sie im Kindergarten aufzuhängen.
  • Weihnachtsbaum: Tannen, wie ich sie aus dem deutschen Forst kenne, gibt es in Togo nicht. Da hätten wir eher eine Weihnachtspalme schmücken können. Doch einen Baum fällen wollten wir dann doch nicht. So kauften wir ein Pagne (Ein Stoffstück, aus dem man sich hier eigentlich Kleidung schneidern lässt) mit einem- farblich passenden- dunkelgrünen und roten Muster, und schnitten uns daraus einen „Tannenbaum“ den wir dann an die Wand hangen.
  • Adventskranz: Wir hatten ein bisschen Kerzen Mangel. Also klapperten Rosa und ich die Marktstände ab, in der Hoffnung neue Kerzen zu kaufen. Dabei war uns Art, Form, Farbe relativ egal, doch trotzdem fanden wir keine. So blieb uns die eine Haushaltskerze, die ich von zu Hause mitgebracht hatte und wir wurden wieder kreativ. Mit Kuli schrieb ich Zahlen 1-4 auf die Kerze und wir machten aus „Adventskranz“ eine „Advemtskerze“ (die ist sowie so gerade voll in Vogue).
  • Glühwein: Nun, wir hatten ja unsere tollen Pakete aus Deutschland, und die Weihnachtswichtel dort hatten an so einiges gedacht. Sämtliche Tütchen Bratapfeltee und Glühwein Gewürz schafften nicht nur, dass wir den winterlichen Geschmack bekamen nach dem wir uns so sehnten, sondern auch, dass unsere Wohnung nach alle dem roch!
  • Plätzchen: Das war irgendwie schwieriger als ich es gedacht hatte, denn Butter ist hier ein teures Luxus Gut. Und Margarine ist auch nicht das billigste. Wir hatten ein Butterplätzchenteig Rezept gefunden mit dem wir gut arbeiten konnten. Mehl- Zucker- Vanillezucker (von zu Hause schon vorausschauend mitgebracht)-und vieel Margarine.

Ich hatte auch schon ein paar Plätzchenausstecher aus Deutschland mitgebracht. Zum Glück hatten wir einen Ofen! Zwar kann der nur an oder aus… aber es klappte eigentlich immer ganz gut wenn man alle 10 min mal reinschaute. Wir wurden zu einer richtigen Weihnachtsbäckerei und nutzten es aus selbst gebackene „biscuits allemand“ Lehrern und Freunden mitzubringen. Die kamen meistens sehr gut an.

  • Weihnachtslieder: Das war ein riesen Spaß! Wir fingen schon früh damit an Weihnachtslieder mit unseren jüngeren SchülerInnen einzustudieren. Die freuten sich immer sehr darüber. Von „Alle Jahre wieder“, über „Kling Glöckchen“ bis hinzu „Stille Nacht“ hatten wir dann irgendwann vieles mit unseren Sechst- und SiebtklässlerInnen einstudiert. Schön war auch zu merken, dass es manche Lieder wie bspw. „Stille Nacht“ auch auf Ewe gibt- So lernten wir gleichzeitig den Text auf Ewe und es wurde zu einem fairen Austausch.

Ihr seht; wir hatten unser Weihnachten aus Deutschland einfach nach Togo mitgebracht.

Heiligabend selber war auch hier Gottesdienst, nur war dieser nicht auffällig voller als andere Gottesdienste. Und man merkte schon ein wenig, dass es vor allem die Kinder waren, für die dieses Fest gestaltet wurde. (Wie in Deutschland ja im Grunde genommen auch.) So war die Kirche mit bunten Lichterketten geschmückt und ein wunderschöner Tannenbaum aus Plastik stand neben dem Altar und wurde zu einer beliebten Fotokulisse nach dem Gottesdienst. Auch das Krippenspiel wurde von ein paar Kindern auf Ewe vorgespielt. Danach wurde vor der Kirche noch musiziert und um ein großes Lagerfeuer getanzt.

So erlebte ich also meine erste Weihnacht weg von zu Hause und Familie: Anders und doch so ähnlich. Wir hatten ein tolles Fest und waren nur zu stolz auf uns selber, wie wir es uns gestaltet hatten, so dass wir uns beide wohl fühlten.

175-jähriges Jubiläum der EPCG

Meinen letzten Blogartikel habe ich vor gut 2 Monaten verfasst. Man kann sich denken, dass in diesem Zeitraum mal wieder einiges passiert ist, auch wenn mein Gehirn schon vorher mit lauter neuen Eindrücken übergesprudelt ist. Das zeigt sich vor allem dadurch, dass ich, wenn ich telefoniere, nur noch konfus Themen durcheinander schmeiße und mich in Einzelheiten verrenne. Deshalb versuche ich mich in meinen Blogartikeln auf ein Thema zu beschränken. 
Aus aktuellem Anlass ist es dieses Mal das 175-jährige Jubiläum der ghanaischen Evangelical Presbyterian Church, die mich seit meiner Ankunft in ihrer Hauptverwaltung und einer ihrer Gemeinden aufgenommen hat.

Die Kirche ist im 19. Jahrhundert durch die Evangelisations-Bemühungen der Norddeutschen Mission (NM), hier auch als Bremen Mission bekannt, entstanden. Als Gründungsdatum wird der 14. November 1847 angegeben. An diesem Tag erreichte der deutsche Missionar Lorenz Wolf nach mehrtägiger Reise, ausgehend vom Osu-Castle in Accra, das im damaligen Krepiland und in der heutigen Volta-Region gelegenen Peki. Damit folgte er einer Einladung des Sohns des in Peki ansässigen Chiefs und predigte an dem genannten Datum ein erstes Mal vor den Einwohnern des Dorfes. (Wenn mehr Interesse an der Kirchenhistorie besteht, kann ich gerne Auskunft geben, wo man sich weiter informieren kann)

Das Programm für die Festtags Veranstaltungen orientiert sich stark an der Kirchengeschichte, sodass wir an den jeweiligen Tagen auch die Stationen, die die ersten Missionare durchliefen, nachstellen. Hier ein grober Überblick der Events, die während meinem Aufenthalt in Ghana stattfanden:

30.10. Opera Kristo (Musical) in der National Theatre Hall 

09.11. Float (Festumzug von Osu-Castle in Accra bis nach Peki) mit anschließendem Gottesdienst

12.11. Grand Durbar in Peki (Zusammenkunft der Chiefs der umliegenden Dörfer mit kurzer Andacht, Musikeinlagen und Besuch vom Präsidenten)

14.11. Gedenkveranstaltung an den alten Missionsstationen und Candle-Light-Procession in Ho (Rundgang im nächtlichen Ho mit anschließendem Gebet an der Kirche)

16.-18.11. Crusade in der Bankoe Gemeinde in Ho (spirituell angelehnte Gottesdienste am Abend)

20.11. Thanksgiving Service (Danksagungs-Gottesdienst) beim Jubilee Park in Ho mit Besuch des ehemaligen (und zukünftigen) Präsidenten

Aus dieser Liste lässt sich also schließen, dass ich im letzten Monat schwer beschäftigt war und wahrscheinlich mehr Zeit bei kirchlichen Veranstaltungen verbracht habe als im Rest meines Lebens. Teilweise waren wir bis zu 22h auf Achse, deshalb war der fünfstündige Abschlussgottesdienst am 20. November die kleinste Hürde, die ich überwinden musste, um meinen mittlerweile geliebten Alltag zurückzuerhalten.

Opera Kristo

Der erste Ausflug, an dem ich teilnehmen durfte, ging zur National Theatre Hall in Accra, in der “Opera Kristo” von einer Gruppe aus Ho vorgeführt wurde. Dabei handelt es sich um ein Musical, das von der Ankunft der ersten Missionare im damaligen Krepiland erzählt. Die Lieder werden alle auf Ewe (der in der Volta-Region primär genutzten Sprache) gesungen, weshalb ich sehr dankbar für die kurzen Erklärungen der Frau meines Mentors und die englischen Zusammenfassungen zwischen den Theaterabschnitten bin.
Am Anfang stehen sich eine Gruppe Europäer und Bewohner der heutigen Volta Region gegenüber, deren Beziehung sich über das Stück hinweg von Misstrauen und Abweisung hin zu gegenseitiger Akzeptanz entwickelt. Deutlich wird dies besonders an der Kostümwahl und der Veränderung der Chorgesänge. Anfangs unterscheiden sich beide Gruppen stark. Die Missionare tragen schlichte Hemden, Röcke und Hosen, die Ewe Gewänder aus bedrucktem Stoff, Kente (fester, in Streifen gewebter Stoff mit Mustern) oder weite, knielange und durch einen Gürtel taillierte Kleider. Am Ende der Vorstellung tragen beide Gruppen Röcke bzw. Gewänder aus Kente oder bedrucktem Stoff und weiße Oberteile und reihen sich für einen Gottesdienst auf, indem der Missionarspastor den Chief (eine Art Bürgermeister oder Oberhaupt eines Distrikts) tauft und einen Blinden heilt.

Leider ist es mir durch die Schwierigkeiten mit der Sprache nicht möglich, alle Nuancen der Begegnung nachzuvollziehen, die Missionare werden meinem Empfinden nach aber sehr positiv dargestellt. Vor allem die Wunderheilung zu Ende des Stücks ist für mich eher befremdlich, weil sie den deutschen Pastor in eine typische “white savior”-Rolle bringt. Andererseits wird auch über die Unbeholfenheit und Schreckhaftigkeit der Weißen zu Beginn des Stücks gelacht, die Grausamkeiten der Kolonialisierung, die während und mit der Missionsarbeit vonstattengehen, werden aber nicht thematisiert.

Für mich wird es immer schwierig, wenn das Thema Mission aufkommt, da ich mich als nicht gläubige Person und aus den historischen Gründen von den Missionaren und den damaligen Praktiken und Ideologien distanzieren will. Durch meine Hautfarbe und meine Partnerorganisation, die Norddeutsche Mission, werde ich jedoch manchmal als Nachfolgerin der ersten Missionare gesehen. Wenn man Mission als alles sieht, was zur fortschreitenden Evangelisation der Umgebung beiträgt, mag das sogar stimmen, da die Kirche durch jeden Beitrag bei der Gemeindearbeit (in meinem Falle auch noch so klein) für Außenstehende attraktiver wird und ich vor Fremden durch meine Anwesenheit bei EP. Church Veranstaltungen und als Freiwillige als Teil der Gemeinde gesehen werde. Mir bereitet das Unbehagen, während ich gleichzeitig versuche nachzuvollziehen, dass die Kirchenmitglieder hier stolz auf ihren Kirchenursprung sind und meine Beziehung zu der Geschichte durch meinen Hintergrund deutlich unkomplizierter ist. Dazu trägt auch bei, dass die Kirche hier weiter in die Lebensrealität der Menschen eingreift, so gibt es zahlreiche Schulen, einige Universitäten und Gesundheitseinrichtungen, die die EP Church als Träger haben. Die anhaltende Bindung zur Norddeutschen Mission, die mit den Jahren zu einer gleichberechtigten Partnerschaft gewachsen ist, mag ebenfalls mit dem sehr positiven Image der Kirche und den Gründern zusammenhängen. Ich hoffe in Zukunft finde ich noch den Raum, intensivere Gespräche über solche Themen zu führen, weil mir durch den Stress rund ums Jubiläum bis jetzt der Raum dafür gefehlt hat.

Float

Nach diesem Trip nach Accra hatte ich nur neun Tage später schon wieder die Gelegenheit, in die Hauptstadt zu fahren. Dieses Mal in Begleitung einer weiteren deutschen Freiwilligen, Anna, die bei der Organisation Voice Ghana arbeitet. Dabei hält sich meine Vorfreude für den Festumzug von Osu Castle nach Peki am 9. November stark in Grenzen. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Abfahrtszeit für alle Teilnehmer aus Ho als 1:00 nachts festgelegt wurde, damit wir um 6:00 morgens pünktlich am Independence Square in Accra ankommen. Wegen der teilweise nicht asphaltierten Straßen, zahlreichen Schlaglöchern und der Fahrt in einem vollen Reisebus stelle ich mich also auf eine fast schlaflose Nacht ein. Mit dieser Vermutung behalte ich zwar Recht, trotzdem habe ich erstaunlich viel Spaß an dem Ausflug. 

Nachdem wir aus unserem Bus taumeln, werden wir wie 600 andere Anwesende mit einer Lunchtüte versorgt, die wir Eyrams (meine Chefin bei EPDRA) Organisationstalent zu verdanken haben. Erst fühle ich mich etwas verloren auf dem riesigen Independence Square, auf dem einzelne Menschen Grüppchen umherlaufen und Reisebusse auf ihren erneuten Einsatz warten. Anna und ich finden jedoch schnell Anschluss bei dem Buchhaltungsteam vom Headquarter rund um Juliet und Justice. Zusätzlich gesellt sich auch noch der ehemalige Süd-Nord-Freiwillige Harry Arden zu uns, mit dem wir uns direkt über unsere Freiwilligendienste austauschen. In dieser Gruppe marschieren wir umringt von Kirchenmitgliedern in Jubiläums T-Shirts und Musikgruppen, sowohl Blasorchester als auch Trommelgruppen, zum Osu-Castle, einer ehemaligen Sklavenburg, die in der Vergangenheit auch als Regierungssitz diente. Während der Großteil des Festumzugs vor den Toren von Christiansborg Halt macht, da der Zugang streng kontrolliert wird, dürfen Anna und ich der Zeremonie im Garten des Castles beiwohnen.
In Situationen wie diesen werden einem die eigenen Privilegien mal wieder besonders bewusst. Neben uns beobachten nämlich nur Pastoren und Kirchenmitglieder in Führungspersonen, wie der Moderator (Kirchenoberhaupt) eine Ansprache hält und sich mit dem Chief von Osu austauscht und um dessen Zustimmung für das Unternehmen bittet. Natürlich kennt deshalb auch jeder um uns herum die Kirchenlieder, die wir zum Abschluss singen, während wir uns bemühen, halbwegs seriös auszusehen. Um dem Anlass gerecht zu werden, filmt auch noch ein Team vom Fernsehen. Zum Schluss der Zeremonie wird eine Fackel angezündet, um die Reise von Lorenz Wolf symbolisch mit einem Fackellauf nachzustellen. Danach kehren wir zu der Hauptgruppe zurück, die etwa 500m vor dem Castle gewartet hat und die Zeit genutzt hat, um zu tanzen, zu feiern oder im Schatten etwas auszuruhen.

Die folgenden zehn Stunden verlaufen weniger abwechslungsreich. Wir, das heißt Gemeindemitglieder der E.P. Church aus Ho und Peki, machen insgesamt elf Zwischenstopps bei Gemeinden, die auf dem Weg nach Peki liegen. Dabei strömt jeder, der noch genug Energie hat, aus den Reisebussen und singt, betet und tanzt mit den Gemeindemitgliedern vor Ort, die schon am Straßenrand auf uns warten. Um dem Wort Festumzug gerecht zu werden, marschieren wir bei einigen Stopps eine ganze Weile, wieder in ausgelassener Stimmung und mit musikalischer Begleitung durch die Dörfer.
Zusammengerechnet mit der kleinen Stärkung zwischendurch brauchen wir noch länger als ursprünglich gedacht und treffen kurz nach Sonnenuntergang in der ersten von acht Ortschaften Pekis ein. Auf einem großen Feld nahe der Kirche wurde ein Lagerfeuer aufgeschichtet, das nach der Begrüßung der Kirchenleitung durch den örtlichen Chief feierlich mit der Fackel angezündet wird. Um zu zeigen, dass der durch die Missionare verkündete Glaube nicht nur in Peki Wurzeln geschlagen hat, werden Fackeln für alle 16 Presbytis (Organisationsebenen der Kirche, in die Ghana eingeteilt ist) und die Missionsstelle der EPCG in Pakistan entzündet. Nach einem Abschlussgebet brechen wir schließlich nach Ho auf, wo wir dann um 22:00 ankommen und ich endlich die Gelegenheit kriege, auszuschlafen.

Am Sonntag fahren wir jedoch wieder nach Peki, um dort dem Durbar (eine Versammlung von Chiefs) beizuwohnen. Diesmal ohne Annas Begleitung, dafür aber in der Gesellschaft meiner Mitbewohnerin Yayra und meinem Chorleiter MK. Die beiden sind hauptverantwortlich für den Verkauf von Artikeln mit dem Jubiläumsmotiv der EPCG, wozu auch ein grün gemusterter Stoff gehört. Aus diesem haben Yayra, Eyram und ich uns schon Kleider schneidern lassen, die beim Durbar ein erstes Mal zum Einsatz kommen.

Diesmal findet das Event auf einer größeren Wiese in Peki statt, auf der Stühle und Zelte in einer Hufeisenform aufgebaut sind. Da unser Stand mit Klamotten ganz am Ende der Formation liegt, ist die Tribüne mit den Ehrengästen in der Mitte des Hufeisens so weit entfernt, dass ich kaum etwas von den aufgeführten Tänzen und Musikstücken mitbekomme.
Das ändert sich schlagartig, als der Präsident Ghanas, Akufo Addo, sich bemerkbar macht. Ein Auftritt bei großen Kirchenevents ist in Ghana für Politiker Größen wohl nicht besonders unüblich, wie mir mein Mentor später erzählt. Der ganze Rummel um seine Ankunft mit dem Hubschrauber, einem riesigen SUV und mit Sturmgewehren bewaffneten Soldaten sorgt für Aufregung bei allen Beteiligten, auch bei mir. Ich schließe mich prompt den Kindern eines Arbeitskollegen an, um näher an die Bühne zu kommen. Das wäre gar nicht nötig gewesen, um den Präsidenten von Nahem zu sehen, da er einmal an allen Sitzreihen vorbeiläuft, um die Anwesenden zu begrüßen. Aber ich bekomme die Möglichkeit, während seiner Rede Fotos zu schießen und die Reaktionen der Gäste zu beobachten.
Trotz des religiösen Hintergrunds des Fests scheint der Gedanke vom Wahlkampf stark in Addos Rede durch: Er spendet 50.000 GHC (ca. 3.500€), lobt die Errungenschaften der EPCG und bittet um Unterstützung und Vertrauen in die Regierung. Bei einer fortlaufenden Wirtschaftskrise mit einer landesweiten Inflation von ca. 40% ein denkbar hoffnungsloses Unterfangen, vor allem weil ein Großteil der Ewe (ethnische Gruppe die hauptsächlich in der Volta Region lebt) die Oppositionspartei unterstützt. Der Applaus fällt demnach mäßiger aus, als man es bei einem Staatsoberhaupt erwarten könnte. 

Nach der Rede übernehmen gleich die üblichen Verdächtigen: Der Moderator hält eine kurze Andacht, gefolgt vom Pastor zuständig für Ökumene und dem Chef der Buchhaltungsabteilung mit Abschluss. Für etwas Abwechslung sorgt ein schätzungsweise 9-jähriges Mädchen, das mit einer unglaublichen Souveränität ihre Rede vorträgt. Leider vollständig auf Ewe, aber Betonung und Körpersprache allein machen das Beobachten für mich interessant.
Musikalisch wird sie von einer Gruppe mit weiteren Kindern unterstützt, die eine Tanzchoreografie vorführen. Außerdem singt ein extra aus Togo eingereister Kirchenchor.
Nachdem die eben erwähnten Programmpunkte abgehakt sind, ziehen sich alle Beteiligten rasch zurück und auch meine “Reisegruppe” macht sich auf den Weg nach Hause.

Events vom 14.11. bis zum 18.11.

Nach dieser Veranstaltung brauchte ich erstmal eine Pause. Das bedeutete, dass ich unglaubliche 6 Tage keine Kirchenfeier besuchte. Gelegenheit dazu gab es aber reichlich.
Direkt am nächsten Tag gab es eine Prozession durch Ho, dessen Atmosphäre zumindest über den Facebook Livestream sehr besinnlich wirkte. (Bei Interesse: über die Facebook Seite DELA TV lassen sich alle Gottesdienste in meiner Stammkirche live mitverfolgen. Wenn man mich in der Menge suchen will, empfehle ich den ersten Sonntagsgottesdienst.)

Am Montag ging es mit dem Niederlegen von Kränzen an Missionars Gräbern weiter, dieses Ereignis wurde meiner Beobachtung nach aber wenig besucht und kaum öffentlich geteilt. Im krassen Kontrast dazu stehen die drei Gottesdienste in der Gemeinde Bankoe in Ho am Mittwoch, Donnerstag und Freitag. Sie gehörten alle zur “Crusade” und wurden von vielen Pastoren gleichzeitig geleitet, unter anderem von meinem Mentor und den Leitern der Frauen-, Männer- und Buchhaltungsabteilung. Auch hier war ich wieder nur durch Facebook zugeschaltet. In diesem Falle zog ich es aber vor, etwas Distanz zu haben. Als nicht-gläubige Person habe ich zwar kein Problem damit, Gottesdiensten beiwohnen, will mich aber auch im kirchlichen Kontext nicht immer verstellen. Während ich den normalen Gottesdienst am Sonntag meistens genieße, wäre es mir schwergefallen, mich in einen pfingstlich geprägten Gottesdienst einzufinden. Bei solchen Anlässen ist das ‘speaking in tongues’ üblich, bei dem Kirchenbesucher darauf abzielen, vom heiligen Geist erfüllt zu werden und oft anfangen, unverständlich zu reden oder zusammenbrechen. Inspiriert wurde diese Art der Gottesbegegnung von der Pfingstgeschichte, in der EP Church weicht die Praktik jedoch von der ursprünglichen Bibelauslegung durch die Kirche ab und ist erst seit einigen Jahren üblich.

Thanksgiving Service

Die letzte Station der Jubiläumsfeier war der Danksagung Gottesdienst am 20. November, der unter freiem Himmel auf einem Festplatz in Ho stattfand. Zu diesem Anlass sind sowohl der ehemalige Präsident John Mahama (im Amt von 2012 bis 2016) als auch internationale Gäste angereist, darunter der Moderator der EP Church in Pakistan, die Vize-Präses und die Generalsekretärin der NM, die Kirchenleitung der togoischen Schwesterkirche EEPT und ein kenianischer Pastor. 

Da wir uns seit Wochen auf diesen Gottesdienst hingearbeitet haben und ich auch noch eine Bibelstelle vorlesen sollte (zwar auf Deutsch, aber immerhin vor über tausend Menschen), war ich die Tage vorher ziemlich aufgeregt. Letztlich völlig umsonst, da ich am Sonntag der Feier bei angesetztem Gottesdienstbeginn noch zuhause bin und mich in mein Jubiläumskleid zwänge. Yayra und ich gehen es mal wieder entspannt an, sind aber immer noch pünktlich genug. Sie verkauft mal wieder die übrig gebliebenen Souvenirs und ich mache mich auf die Suche nach einem Sitzplatz. Während die Generalsekretärin der NM, Heike Jakubeit, die gleichzeitig auch meine Koordinatorin ist, mit den anderen internationalen Gästen und der Kirchenleitung auf der Ehrentribüne eingeplant ist, schummle ich mich unter die Pastoren zu deren linken.  

Auch dieser Gottesdienst weicht stark von den normalen Gottesdiensten am Sonntag ab, in denen es immer eine feste Struktur und einen straffen Zeitplan gibt.

Es fängt zwar wie gewohnt mit dem Einzug des Chors an, danach verliere ich jedoch schnell den Überblick. Das Programm sieht vor, dass der erste Teil des Vormittags gottesdienstähnlich gestaltet werden soll, danach werden alle Sponsoren vorgestellt, Spendenaufrufe getätigt und der ehemalige Präsident soll seine Rede halten.

Da Mahama aber schon während der ersten 30min des ersten Teils aufkreuzt, werden die Chorgesänge nach dem Eröffnungsgebet je unterbrochen. Es dauert eine Weile, bis sich der Trubel legt und der Ex-Präsident seine Begrüßungsrunde gedreht hat. (Wobei der Applaus deutlich lauter ausfällt als bei Addo eine Woche zuvor)

Schließlich fahren wir fort und kommen schnell zu den Lesungen der Bibelstelle. Schon bei der Auflistung der Leser_innen gibt es viel Applaus als nur erwähnt wird, dass auf Deutsch vorgetragen wird.
Nachdem ich meinen Beitrag geleistet habe, kann ich mich entspannt zurücklehnen und bin dankbar für die Gesellschaft von Dr. Günther Rusch und seiner Frau Christie. Günther ist in Ho für die Renovierung des alten Missionshauses zuständig, versorgt mich bei diesem Anlass jedoch auch gerne mit Crackern und kritischen Kommentaren.
Weiter geht es mit der Predigt des Moderators, in der er ein neues Konferenzzentrum ankündigt, das im Laufe des nächsten Jahres fertiggestellt werden soll und für das Kollekte gesammelt werden soll. Das wird dann auch prompt umgesetzt, wobei das Spendensammeln wieder nach Wochentagen geht und für mich unangenehm öffentlich und lange dauert.

Es folgt die Rede von Mahama, der direkt zum Wahlkampf übergeht, indem er seine Nähe zu der EPCG betont und die derzeit schlechte wirtschaftliche Lage anspricht. Dabei fällt mal wieder der Satz „Money doesn’t like noise“, der mir mittlerweile nur allzu bekannt ist und von Ghanaern zum running gag gemacht wurde. Der Präsident äußerte ihn in einer Fernsehansprache zur wirtschaftlichen Lage der Nation auf französisch- was von vielen Ghanaern als Verhöhnung der Bürger verstanden wurde, die versuchen mit der hohen Inflation zu leben und ihre Unzufriedenheit zurecht äußern sollen dürfen.
Zum Abschluss betete der Moderator für den Wahlsieg Mahamas bei den nächsten Wahlen 2024 und betitelte ihn dabei bereits als zukünftigen Präsidenten.
Nach diesem Programmpunkt ziehe ich es vor, mich von meinen Sitznachbaren zu verabschieden und zu Yayra auf die Tribüne zu fliehen, wo sie ihre Fanartikel verkauft. Von Günther erfahre ich später, dass ich nur wenig verpasst habe, deshalb bin ich froh den Rest des (Vor-)Mittags mit Rumalbern und Fotos schießen zu verbringen. Nur die Durchsage, dass der Montag beim Spendensammeln gut abgeschnitten hat, dringt noch zu mir durch, was MK und mich als Monday-born natürlich sehr freut.

Der Gottesdienst endet dann relativ plötzlich, es gibt ein Abschlussgebet auf das jeder nach Hause zu strömen scheint. Dadurch gelingt es mir leider nicht, mit einigen Leuten näher in Kontakt zu kommen, die ich vorher nur flüchtig begrüßt habe. Auch Heike und die anderen Ehrengäste verschwinden schnell von der Bildfläche, sodass ich letztlich auf einem fast leeren Platz mit Yayra darauf warte, dass mein Mentor Dela uns abholt.

Damit enden die Feierlichkeiten für mich relativ unspektakulär, obwohl es durch Heikes Besuch in den folgenden Tagen noch jede Menge interessante Gespräche und viel Neues für mich gab. Der Blogartikel ist aber auch so schon zu lang, wobei es sich bei meinen Berichten mal wieder nur um kurze Zusammenfassungen handelt und ich manchmal wünschte, mehr Raum für tiefgehendere Schilderungen zu haben. (Wenn das gewünscht ist, darf man mich aber gerne über einen Anruf bei Whatsapp ausquetschen)
Insgesamt bin ich sehr froh, dass die Feierlichkeiten nun vorüber sind, da sie für mich mit sehr viel Stress und Schlaflosigkeit verbunden sind. Gleichzeitig bin ich aber auch sehr dankbar, durch die vielen Aktivitäten so viel von Accra und der Volta-Region gesehen zu haben und nebenbei tiefere Einblicke in die Kirchengeschichte, die Politik und die Bedeutung von Führungspersonen wie Chiefs zu erhalten.

Ein Tag von vielen

Um 5:30 Uhr klingelt der Wecker.

Noch verschlafen und mit zerzausten Haaren spähen Johanne und Rosa aus ihren Zimmertüren heraus und ein -der Uhrzeit entsprechend- trockenes „Guten Morgen“ ist zu hören, bevor beide ihre Yogamatten auf dem Boden ausrollen.

„Kreuzen sie ihre Arme und Beine, und setzen sie sich“. – Die erste Stimme die man morgens immer in der Wohnung zu hören bekommt, ist die der Frau aus dem 30 Minuten langem Pilates Workout. Und das wirklich fast jeden Morgen!

Danach geht’s dann in Turbo-Geschwindigkeit zur Frühstücksvorbereitung. Da sind die beiden schon klasse durch routiniert. Haferflocken mit Wasser aufgekocht und Bananen sollen lange satt halten. Von draußen hört man die Schulklingel.

Es ist 6:40 Uhr, und in der letzten Sekunde schaffen es die beiden noch ihre Wohnung abzuschließen und die paar Stufen runterzulaufen. Schon sind sie an ihrem Arbeitsort angekommen und reden mit ihrem Freund Saviour, der Musik Lehrer am Collège ist. Die deutsche Pünktlichkeit soll schließlich nicht verlernt werden!

(Nun man muss sagen, dass natürlich nicht jeden Tag das selbe passiert. Jeder Tag ist dann zum Glück doch mit unterschiedlichen Tätigkeiten gefüllt. Dazu kommt, dass vieles spontan dazwischen kommt und den Tagesplan der beiden aus dem Konzept schmeißt. Hier ist eine Beschreibung von einem fiktiven Tag, der jedoch genauso gut auch ablaufen könnte.):

Im Lehrerzimmer sitzend, wollen die beiden die Ewe Vokabeln lernen, für die sie schon so viel Zeit hatten, und sie doch immer zur Seite gelegt haben. Immer wieder schauen Lehrer rein. Ganz begeistert von den Vokabelheften versuchen sie sofort ein Gespräch auf Ewe anzufangen. Haben sie nicht gesehen, dass die paar ausgeschmückten Seiten des Heftes noch nur die Zahlen und Früchte auf Ewe enthalten? Aber die Freude ist umso größer, wenn eine der beiden dann irgendwann etwas richtig ausgesprochen bekommt.

Im Ewe Unterricht mit M. Alotsi die Stunde darauf wird „Ta Abo Legbedze Afo, Legbedze Afo“ (Ewe-Version von dem Lied „Head and Shoulders“) gesungen und wieder auf ein Neues Vokabular angeschafft. Die Woche darauf wollen sich die beiden bessern was das Lernen der Vokabeln angeht; sagen sie sich.

Danach sind dann Johanne und Rosa dran mit unterrichten. In einer Freistunde der 4ième (9. Klasse) bewegen sie sich Richtung Klassenzimmer und es prasselt ein Wasserfall an Deutschen Begrüßungen auf sie ein: „Guten Morgen“ gemischt mit „Hallo“, wenn’s blöd läuft auch „Hello“, und wenn gut dann sogar ein „Moin“!

In einer Freistunde dann doch noch Unterricht zu bekommen fänden die meisten SchülerInnen in Deutschland vermutlich einfach nur bescheuert. Doch auf die Frage „Vous êtes prêts pour l‘allemande maintenant?“ hören die beiden hier nur begeisterte Jubelrufe. Dieses Mal steht Singen an, weil man hier gerne durch Lieder eine Sprache verfestigt. „Danke für diesen Guten Morgen“ wird nach langem Einstudieren und Wiederholen dann bald sogar durch Stift-Getrommel auf den Tischen aufgepeppt.

Nach einer kurzen Pause geht es auf den Markt für einen kleinen Einkauf. Der Essens Plan für die Woche wurde schon erstellt um die tägliche Selbstverpflegung ein wenig einfacher zu gestalten. Und so kommt die Einkaufsliste zu stande, und man ist stolz wenn man die Woche nur zwei mal einkaufen gehen musste. Das Schulgelände verlassend wird ihnen von Misch (einem der Gardiens der Schule) hinterher gerufen: „Vous sortez un peu? Ok, Revenez vite!“

Auch auf dem Markt haben die beiden schon ihre Routine. Zuerst die Tomatenfrau! Als sie die beiden lächelnd anlaufen kommen sieht, lacht sie schon und freut sich. „Et le piment?“ (Peperoni) Neee… so weit sind sie dann doch noch nicht. Mit der vollen Tasche steigen sie auf das nächste Moto zurück zum Collège.

Es ist Mittwoch Nachmittag, und nicht so wie sonst auf dem Schulgelände auf dem es mucksmäuschenstill werden kann wenn die SchülerInnen fort sind, ist halligalli. Die SchülerInnen sind nach einem kurzen Aufenthalt zu Hause wieder gekommen um entweder nochmal mehr in Gruppen zu lernen, Fußball oder Basketball zu spielen.

Bald kommt noch etwas dazu: Andere sind nämlich dabei ein Volleyball Netz aus Seilen zu knüpfen. Darunter auch Johanne und Rosa. Doch sie haben nicht lange Zeit.

Viel Zeit muss eingeplant werden für Abendessen kochen, abspülen und aufräumen. Wenn das geschafft ist, dann sieht der späte Abend meistens so aus: Runter kommen mit einer Folge der Netflixserie „Orange is the new black“ (was sie von ihr halten sollen ist noch nicht so ganz klar)

Um 9 Uhr fallen beide Hunde müde ins Bett. Das Licht ist aus für den Tag. Und das letzte was man aus der Wohnung hört ist ein erschöpftes aber zufriedenes „Gute Nacht“.

Mein erstes Lebenszeichen aus Togo…

Mittlerweile sind Johanne und ich schon über anderthalb Monate in Kpalimé, und ich habe mich immer noch nicht gemeldet. Irgendwie habe ich hier sehr viel Zeit und gleichzeitig gar keine, weil ich mich immer noch einlebe und viele Erlebnisse erstmal verarbeiten muss.

Ich werde mich in diesem und den nächsten Blogposts nicht damit aufhalten, dir alles zu schildern, was ich die letzten sechs Wochen erlebt habe. Sonst würde ich wohl noch im übernächsten Jahr rückblickende Blogposts schreiben. Glücklicherweise hat Johanne Vieles aus den ersten Wochen festgehalten. Unter diesem Link kannst du auf ihrer Blogseite mehr über unsere Ankunft, unsere Wohnung und unser Umfeld lesen: https://norddeutschemission.blog/category/freiwillige/johanne-in-togo/

Eigentlich wollte ich in diesem Blogpost einen typischen Tag von mir in Kpalimé schildern, aber bis jetzt sieht jeder Tag anders aus. Die meisten Menschen, die ich hier kennengelernt habe, planen nicht weit in die Zukunft und leben spontan in den Tag oder die Woche hinein. Das ist mir hier schon in sehr vielen Situationen aufgefallen. Eigentlich ist es ganz schön von meinem durchstrukturierten Alltag in Deutschland wegzukommen, und eine eher entschleunigte Seite des Lebens kennenzulernen und zu genießen (wahrscheinlich habe ich so eine Entschleunigung das nächste Mal erst wieder zur Rente…).

Ein Beispiel: Mittagessen im Internat des Collèges.

Das Internat der Schule beherbergt dieses Jahr acht Jungen und zwei Mädchen, die gemeinsam mit den anderen Schüler*innen das Collège protestant besuchen. Dreimal am Tag wird den sogenannten „Internes“ Essen von zwei Köchinnen gekocht. Zum Essen wird immer mit einer Glocke gerufen, die Johanne und ich natürlich auch immer hören, während wir in unserer eigenen Küche beim Kochen verzweifeln (das ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber es erfordert schon viel Kreativität und Arbeit, jeden Tag mindestens einmal zu kochen, vor allem wenn man ganz andere Zutaten als in Deutschland zur Verfügung hat…).

Durch die Glocke sind wir auf die Idee gekommen, vielleicht auch irgendwann einmal (oder mehrmals) im Internat zu essen und haben direkt den Direktor, Claude, gefragt. Zum Thema Spontanität: Am nächsten Tag um 12 Uhr klopft es an unserer Tür. Johanne und ich haben vor einer Stunde, wie jeden Samstag, einen Berg Pfannkuchen gefrühstückt. Ich öffne und der Direktor steht vor uns. „Ihr könnt rüberkommen ins Internat und Fufu essen.“ „Jetzt?“ – „Ja, jetzt sofort.“

Also finden wir uns circa eine Stunde nach unserem ausgiebigen Frühstück im Internat wieder und essen gemeinsam mit den Internat-Jungs einen riesigen Berg Fufu (traditionelles Gericht aus Yams oder Maniok), mit dem besonders Johanne, wegen ihres vollen Magens, zu kämpfen hat. Es war natürlich superlecker und auch echt spannend bei der Vorbereitung des Gerichts zuzuschauen. Trotzdem wäre es sicher schlauer gewesen, vorher nichts zu essen… Solche spontanen Aktionen erleben wir hier eigentlich fast täglich, was uns immer wieder in die verrücktesten Situationen bringt.

Ganz ohne Regelmäßigkeiten geht es aber dann doch nicht. Mindestens zweimal die Woche gehen Johanne und ich zum Markt. Mir ist aufgefallen, dass die meisten Menschen hier fast täglich zum Markt gehen und dann nur kleinere Mengen an Gemüse und Zutaten kaufen, die am selben Tag noch verwendet werden. Aber irgendwie ist es schwer, sich mit der deutschen Einmal-die-Woche-Großeinkauf-Mentalität daran anzupassen. Besonders wenn der Markt ein bisschen weiter vom Collège entfernt liegt und man nicht unbedingt motiviert ist jeden Tag 30 Minuten bei praller Sonne und 30 Grad zum Markt hin und 30 Minuten mit schweren Einkäufen wieder zurückzulaufen. Dank unseres tollen Kühlschranks können wir uns die tägliche Marktodyssee sparen.

Natürlich gibt es noch die Motorradtaxis, die hier überall die Straßen bevölkern und den Zeit- und Kraftaufwand erheblich reduzieren. Eine Moto-Taxifahrt sieht ungefähr so aus: Johanne und ich stellen uns vor das Tor des Collèges, das direkt auf die Straße rausgeht. Dann wird man eigentlich auch schon von mindestens drei vorbeifahrenden Taxis angehupt. Das Hupen bedeutet übersetzt nicht „Aus dem Weg!“ wie in Deutschland, sondern eher „Willst du mitfahren?“. Aber irgendwie mag ich es nicht gerufen zu werden und suche mir meinen Taxifahrer lieber selbst aus, indem ich das Taxi heranwinke. Der ganze Prozess dauert maximal drei Minuten, weil wirklich alle zehn Sekunden ein Taxi vorbeifährt. Manchmal denke ich, dass die Hälfte aller Männer in Kpalimé als Moto-Taxifahrer arbeitet, obwohl das natürlich nicht stimmt.

Nach der Auswahl nennt man das Ziel, wie zum Beispiel „Au marché!“ („Zum Markt“) und fragt am besten VORHER nach dem Preis, denn nach der Fahrt kann man nicht mehr verhandeln und der Fahrer kann eigentlich jeden Preis verlangen. Den Fehler haben wir leider schon einige Male gemacht… Eine Fahrt vom Collège zum Markt kostet normalerweise 300 CFA (umgerechnet ca. 45 Cent) für zwei Passagiere auf einem Moto. Am Anfang haben Johanne und ich immer zwei eigene Motos genommen, da mussten wir natürlich mehr zahlen. Mittlerweile sitzen wir eigentlich immer zu zweit hinten drauf. Und nachdem wir schon Familien mit vier Personen, Tischtransporte und Leitern auf einem Motorrad gesehen haben, machen wir uns wegen der Sicherheit auch weniger Sorgen. Trotzdem ist es am Anfang noch ungewohnt ohne Helm zu zweit hinten auf einem Motorrad mit 50 Kilometern pro Stunde durch volle Straßen zu fahren. Trotzdem macht das Moto Fahren echt Spaß und ich verstehe gar nicht, warum es solche Taxis nicht in Deutschland gibt. Die sind echt superschnell und sehr praktisch, wenn die Straße mal ein bisschen zu uneben für Autos ist.

Außer den Markteinkäufen geben Johanne und ich regelmäßig Deutschunterricht. Das machen wir eigentlich immer nachmittags.

Weil wir die ersten Freiwilligen am Collège protestant seit sieben Jahren sind, wissen der Direktor Claude und die Lehrer nicht so wirklich, was unsere Aufgabe und Arbeit hier ist. Eigentlich sollten wir in ungefähr acht Stunden in der Woche vormittags den Schüler*innen aller Klassenstufen in ihren Freistunden ein bisschen Deutschunterricht geben. Das wusste hier anscheinend niemand, oder es wurde missverstanden. Deswegen haben Johanne und ich nachmittags mit Hilfe von interessierten Schüler*innen und zwei Lehrern einen zusätzlichen Deutschunterricht organisiert, damit wir überhaupt unsere Aufgabe erfüllen und den Menschen vor Ort gleichzeitig auch etwas von unserer Sprache zeigen können. Kinder sowie Lehrer*innen sind hier total interessiert an der deutschen Sprache, was Johanne und ich erst gar nicht so richtig verstehen konnten. Ein Schüler hat uns nach einer Unterrichtsstunde sogar um Hausaufgaben in Deutsch gebeten. Zusatzaufgaben? Das wäre an meiner Schule in Karlsruhe ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.

Der Deutschunterricht ist eigentlich immer eine echt lustige Sache. Die Schüler*innen lernen momentan ganz einfache Sätze, wie „Wie heißt du?“ oder „Wie alt bist du?“. Manchmal muss ich mich zusammenreißen, dass ich keinen Lachflash bekomme, weil die Aussprache teilweise so absurd ist. Ganz schwer ist zum Beispiel „eu“ und der Unterschied zwischen der Aussprache von „ei“ und „ie“. Am beliebtesten ist das Spiel „Galgenmännchen“ mit deutschen Wörtern. Mein persönliches Lieblingsspiel ist, wenn ich an der Tafel TicTacToe gegen verschiedene Schüler*innen spiele und jedes einzelne Mal gewinne, weil sie den Gewinnertrick nicht kennen (das hat leider nur wenig mit Deutsch zu tun…).

Vormittags ist das mit unserer Arbeit also momentan noch ein bisschen schwammig. Aber wir haben uns schon überlegt eventuell im Kindergarten oder in dem Frauenbildungszentrum der Kirche hier in Kpalimé mitzuarbeiten und so unsere Aufgabe ein bisschen umzuorientieren.

Ich könnte gerade noch so viel mehr von hier erzählen, aber ich bekomme langsam Hunger. Heute Mittag stehen Burger mit Karotten-Kohl Bratlingen auf dem Speiseplan (wahrscheinlich eine reduzierte Version, weil wir nicht alle Zutaten finden konnten). Mal schauen, ob wir das hinbekommen.

Ich hoffe, ich konnte dir mit diesem Post einen besseren Einblick in mein Leben hier geben. Ich freue mich immer über Fragen und Feedback von dir! Wenn dich konkrete Themen genauer interessieren, über die ich hier schreiben könnte, schreib mir einen Kommentar und ich nehme das Thema in den nächsten Posts gerne auf.

Bis zum nächsten Mal!

Rosa

P.S.: Die Karotten-Kohl Bratlinge waren der Burner!!! Sehr empfehlenswert.

Jetzt wird’s so ein bisschen holprig..

Wie vielleicht schon am Titel zu erkennen ist, fällt mir dieser Blog-Post deutlich schwerer als der Erste. Deshalb möchte ich nochmal besonders darauf hinweisen, dass dies hier nur meine eigene, von wahrscheinlich hunderten kleinen Missverständnissen verzerrte Perspektive ist. Also spiegelt dieser Artikel in keinem Fall das Leben in Ghana, oder gar in Afrika wieder und beschreibt kein “typisches” Verhalten bei den Menschen, die ich in meinem Alltag treffe.


Die größte Veränderung, mit der ich seit meinem letzten Post zu kämpfen habe, ist der Abbruch meiner Mitfreiwilligen Antonia. Sie hat sich aus persönlichen Gründen entschieden, nach Deutschland zurückzukehren, weshalb ich seit zwei Wochen alleine in dem uns zugewiesenen, schon für zwei Personen zu großen Haus lebe. Diese Gegebenheit bereitet mir auch schon fast die meisten Schwierigkeiten: Da meine Vorliebe für Hausarbeit sich in Grenzen hält (was leider auch auf den Wasservorrat meiner letzten zwei Wochen zutrifft), treibt es mich fast in den Wahnsinn, wenigstens ein bisschen Ordnung und saubere Wäsche beizubehalten. Derzeit ist es leider nicht möglich, mich in ein anderes Quartier einzulagern. Ich habe aber ein anderes Zimmer im Haus bezogen, um die zu wischende Bodenfläche so gering wie möglich zu halten. Zwar gibt es auch die Möglichkeit, dass eine Mitbewohnerin bei mir einzieht oder mir die Wäsche oder das Kochen abgenommen wird, zum einen brauche ich manchmal aber einen Rückzugsort, an dem ich alleine abschalten kann, zum anderen möchte ich nicht mehr Hilfe beanspruchen, als ich es in Deutschland tun würde.
Was mich aber mehr belastet hat, war das Gefühl, mit Antonia die Person zu verlieren, mit der ich nach der Arbeit ganz entspannt Deutsch sprechen und die meine Lage am ehesten nachvollziehen kann. Gleichzeitig ist sie in den drei gemeinsamen Wochen zu einer viel engeren Freundin geworden, als ich es mir am Anfang des FSJs vorstellen konnte. 

Dann plötzlich alleine zu sein und alles im Haus selbst reißen zu müssen, hat mich erstmal überfordert. In den ersten Tagen nach ihrer Abreise ging es mir ziemlich schlecht und ich hatte Schwierigkeiten, mich meinem Mentor oder meiner Vorgesetzten Eyram anzuvertrauen. Eigentlich sind diese beiden meine erste Anlaufstelle, wenn ich Probleme habe. Noch bevor Antonia geflogen ist, wurde ich jedoch schon manchmal gelobt, wenn ich meine Gefühle unterdrückt habe, was mich sehr verunsichert hat. Ich hatte den Eindruck, dass ich als “stark” gesehen werde wenn ich meine Emotionen unterdrücke und dieses dieses Verhalten von meinem Umfeld erwünscht wird. Für mich bedeutet dieser Umgang mit negativen Gedanken aber hauptsächlich Stress, da durch das Verdrängen von Gefühlen gleichzeitig auch oft die Lösung des eigentlichen Problems in den Hintergrund gestellt wird. Deshalb ist es für mich eher ein Warnsignal, wenn ich längere Zeit nicht geweint habe, weil es zeigt, dass ich mich in einem Umfeld befinde, in dem ich nicht ehrlich zeigen kann, wie es mir geht.
In langen Gesprächen mit Reverend Dela und Eyram haben wir uns darüber ausgetauscht, wie wir mit negativen Emotionen umgehen. Dadurch habe ich mehr Verständnis für bestimmte Kommentare oder Verhaltensweisen einiger meiner ghanaischen Freunde erlangt, anders herum aber auch mehr Verständnis für meinen persönlichen Umgang mit Krisen geschaffen. Letztendlich habe ich es dadurch relativ schnell aus meiner kleinen Krise heraus geschafft, wünschte mir aber, diese Unterhaltungen schon mindestens eine Woche vorher geführt zu haben.

Im letzten Post habe ich mich noch um die Arbeitssituation gesorgt. Mittlerweile merke ich, dass ich eigentlich immer was zu tun habe oder finde, auch wenn ich meistens nur beobachte. Das Thema Nachhaltigkeit und Entwicklung bzw. Umgang und Überwindung von neokolonialistischen Ausbeutungsstrukturen hat mich zwar interessiert, ich wusste aber nicht, inwieweit ich eigentlich mitwirken kann. Abgesehen davon handelt es sich hierbei um langwierige Prozesse, die in den Projekten manchmal nur aus der Entfernung sichtbar sind.
Inzwischen sehe ich vieles als eine Art Praktikum an und habe so die Möglichkeit für je 2 Wochen in verschiedene Projekte von EPDRA reinzuschnuppern. Es ist zwar manchmal nervenaufreibend, immer wieder von vorne zu starten, aber ich sehe viel mehr als andere Freiwillige, die größtenteils dauerhaft in Schulen arbeiten.
Auch außerhalb der Arbeit kann ich in diesen Themenbereichen viel ausprobieren. Der Plan, einen eigenen Komposthaufen mit einem Gerüst aus Plastikflaschen als Recyclingprojekt zu bauen, steht schon lange. Auch Comics für EPDRA zum besseren Verständnis ihres Aufgabenbereichs sowohl auf deutscher als auch auf ghanaischer Seite sind auf meiner To-do-Liste. Daher habe ich eher zu wenig Zeit als Arbeitsmangel. Ich wollte nach der Schule auf jeden Fall ein Jahr aus dem Leben mit strukturiertem und vorgegebenem Arbeitsplan raus, auch um mich selbst zu testen. Mich Situationen auszusetzen, in denen ich mir aktiv Arbeit suchen muss, war Teil des Plans, aus meiner Komfortzone herauszukommen. Jetzt merke ich, was für ein Potenzial ich habe, wenn ich frei arbeiten kann, jedenfalls wenn ich dann auch die nötige Zeit zum Umsetzen meiner Pläne finde.

Seitdem ich vor gut vier Wochen mit der Arbeit angefangen habe, war ich im Büro von EPDRA, auf Programmausflügen in Hohoe und einer Community nahe Ho und in der EPDRA Pharmacy (Apotheke). Neuerdings werde ich in der EP Church Clinic direkt auf dem Kirchengelände eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine Art medizinisches Grundversorgungscenter, in dem die Wartezeiten deutlich kürzer sind als in den umliegenden größeren Krankenhäusern. Doch dazu später mehr.

Um chronologisch zu starten, will ich zuerst die Arbeit bei EPDRA bzw. in Eyrams Büro beschreiben. Dort konnte ich erstmal ein Bücherregal sortieren und dann alle Bücher katalogisieren, die zur ‘Mobile Library’ gehören. In diesem Projekt haben vor allem Vorfreiwillige mitgewirkt, die eine der 13 Buchboxen mit in die Schule genommen haben, um in Pausen lesen zu üben. Ich bin jedenfalls immer noch damit beschäftigt, alle Bücher in die Tabellen auf meinem Laptop einzutippen, Derzeitiger Stand sind 529 Bücher in einer Excel-Tabelle.
Bevor ich diesen Auftrag beenden konnte, wurde ich jedoch schon für zwei Wochen in die Apotheke versetzt.

In der ‘EPDRA Pharmacy’ wurde ich zuerst dem Apotheker Charles vorgestellt und habe am gleichen Abend noch die Mitarbeiter Bright, Laura und Tina kennengelernt. Victoria, die für die Buchhaltung zuständig ist, habe ich erst am nächsten Tag getroffen. Mein Aufenthalt hier und in der Clinic kann man sich am ehesten wie ein Praktikum vorstellen.
Durch meine fehlende Ausbildung und größere Probleme mit (akzent behafteten) Englisch wenn es um medizinische Begriffe und Arzneimittel geht und der Fakt, dass die Handschrift von Ärzten wohl überall zwingend unleserlich sein muss, war ich ziemlich unfähig, groß auszuhelfen. Durch das dadurch erzwungene Beobachten konnte ich aber Muster und Unterschiede zu Apotheken, die ich aus Deutschland kenne, erfassen.

Ein großer Punkt ist die Bandbreite an Artikeln, die in einer Apotheke zu finden sind. Zwar habe ich auch in Deutschland schon Kosmetika und andere nicht medizinische Produkte in Apotheken gesehen, hier kommt mir das Ausmaß aber deutlich größer vor. Von Mundspülung über Kondome bis hin zu Deo und Shampoo findet man alles.

Während in Deutschland gerade in fast allen Apotheken auf Covid getestet wird, ist diese Krankheit mittlerweile gar kein Thema mehr und Tests waren in der EPDRA Pharmacy nie möglich. Dafür gehört der Malaria Test, für den Blut statt Speichel benötigt wird, zum Alltag. Die zur Behandlung nötigen Antibiotika dürfen im Anschluss von der Apotheke ohne Umwege über ärztliche Atteste verkauft werden.
Gut ein Drittel der Kunden kommt jedoch schon mit einem Rezept aus den umliegenden Krankenhäusern in die Apotheke. Häufig ging es dabei um Medikamente für Krankheiten wie Typhus und Malaria oder um einfache Erkältungen. Wie man diese Rezepte liest und welche Bedeutungen die Buchstabenkürzel darauf haben, wurde mir von Bright erklärt. Anschließend durfte ich dann manchmal die Anweisungen zur Einnahme in verständlichem Englisch auf die Medikamente schreiben. Einige  Kunden fragen auch nach spezifischen Medikamenten, worauf dann entweder die Antwort ‘Meli o’ (Haben wir nicht) kommt oder das erfragte Medikament verkauft wird. Der letzte Typ Kunde beschreibt seine Beschwerden. Ist dies der Fall, wird erstmal ein bestimmtes Medikament vorgeschlagen und wenn nötig nach einer günstigeren Alternative gesucht, die den gleichen Wirkstoff enthält.

Einen spannenden Unterschied zu meinem Umfeld und Statistiken aus Deutschland habe ich beim Verkauf von Verhütungsmitteln beobachtet. Die täglich einzunehmende Pille ist so unpopulär, dass es eine ganze Weile dauert, bis man sie unterm Tresen gefunden hat. Kondome werden eher abends ab 8 Uhr gekauft, deutlich beliebter sind jedoch die Emergency-Pillen, also die Pille danach. Diese wird regelmäßig von Männern und Frauen angefordert. In einer Unterhaltung mit meinem Mentor diskutierten wir die Stigmatisierung sexuell aktiver Frauen als möglichen Grund für die Gewohnheit von Männern, dieses Medikament für die Partnerin zu besorgen. Diese Beobachtung steht im krassen Gegensatz zu den Verhütungsmitteln, die ich aus meinem Umfeld kenne. Die Pille wird dort wegen der Nebenwirkungen immer kritischer gesehen und die Pille danach steht aus den gleichen Gründen gar nicht als Option im Raum.

Da die Angestellten und ich den Großteil der Zeit auf Kunden warteten und die Versuche, uns gegenseitig die jeweilige Muttersprache beizubringen relativ kurzweilig waren, wurde es erst richtig spannend, als in der zweiten Woche plötzlich 6 Pharmaziestudent_innen in der Apotheke saßen. Sie waren deutlich gesprächiger und neben Unterhaltungen über das Studium, Fussball und Trinkgewohnheiten war es mir auch möglich, deutlich mehr über die Wirkweise bestimmter Medikamente zu erfahren. Bei den Gesprächen über verschiedene Bakterienklassen und wie Paracetamol auf einer zellulären Ebene wirkt, merke ich aber, dass ich 1. Im Moment so viel lernen will, dass ich mir erstmal ein Botanik- Biochemie- und Physik-Lehrbuch aus Deutschland angefordert habe und 2. es manchmal sehr schwer ist, sich in der Rolle als Praktikantin wohlzufühlen. Sonntag habe ich nochmal eine Extraschicht eingelegt, weil es schwierig war, sich von den Angestellten und Sir Charles zu verabschieden. Letztlich musste ich versprechen, noch oft zu Besuch vorbeizukommen.

Nach der Apotheke habe ich letzten Montag in der Clinic gestartet. Auch hierfür plane ich nochmal einen einzelnen Blog Artikel, wenn ich meine zwei Wochen dort vollendet habe. Gleiches gilt für die Ausflüge mit EPDRA, die sich gerade erfreulicherweise häufen.