Endgültiger Abschied?

Liebe Leserinnen und Leser,

wahrscheinlich werdet ihr ganz überrascht sein, jetzt noch einen Blogeintrag von einer Freiwilligen zu lesen- wie ihr wahrscheinlich wisst, mussten ja alle weltwärts-Freiwilligen schon vor Monaten ihre Stellen verlassen und zurück nach Deutschland kommen. Und so habe auch ich am 1. April mit dem allerletzten Flug aus Togo genommen und bin seitdem wieder zuhause bei meiner Familie. Ganz anders waren diese letzten Monate, wie für wahrscheinlich jeden und jede für uns, als ich mir sie vorgestellt habe. In dem Moment, wo ich diesen Eintrag schreibe, sollte ich eigentlich noch in Togo sein, und würde gerade meine Rückreise planen. Doch jetzt möchte ich noch einmal auf Togo, die Zeit vor der Rückreise und auch meine Zeit in Deutschland nach der Rückkehr eingehen und euch ein bisschen davon erzählen.

Als die Pandemie in Deutschland schon in vollem Gange war, hatten die meisten meiner Freunde und Bekannten in Togo das Wort „Corona“ vermutlich noch nicht einmal gehört, oder wenn, war es nur Gegenstand von witzigen Bildern, die auf Whatsapp verschickt wurden. Corona sei eine Krankheit der Weißen, und daran, dass sie bald auch Togo erreichen könnte, daran dachten hier zu Beginn nur Wenige. Auch ich verfolgte zwar besorgt die Nachrichten, aber an eine eventuelle Rückkehr dachte ich noch nicht. So besuchte ich im Februar das Zwischenseminar in Ghana und hatte eine tolle Zeit, wie auch im nächsten Monat, in dem mich Maria, meine Vorgängerin in Notsé an meinem Einsatzort besuchte. Wir besuchten viele Freundinnen und Freunde und sie zeigte mir ganz viel Neues, das ich mich schon freute, in der Zeit nach ihrer Abreise auszuprobieren, wie verschiedene Gerichte oder auch neue Wörter auf Ewe.

Doch auf einmal kam die Nachricht: Aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie müssen alle Freiwilligen so schnell wie möglich zurück nach Deutschland. Die nächsten zwei Wochen waren sehr chaotisch und emotional, schließlich musste ich mich von allen verabschieden und hektisch noch alles Mögliche erledigen. Außerdem wurde mein Flug ganze zwei Mal gestrichen, bevor wir am Abend vorher erfuhren, dass wir mit dem Rückholflug der Botschaft nach Deutschland zurückkönnen, was, wie ihr euch vorstellen könnt, auch sehr stressig war. Außerdem wurden, wie auch hier, in Togo alle Schulen und Gotteshäuser geschlossen und ich konnte mich leider in der Schule und Kirche nicht wirklich verabschieden.

In Deutschland angekommen, hatte ich sehr gemischte Gefühle: Zum einen Erleichterung, wieder in Deutschland zu sein und dass alles doch noch gut ausgegangen war, und natürlich auch Freude, die Familie wieder zu sehen. Zum anderen eine sehr große Frustration, Traurigkeit und auch Wut: Ich war sehr traurig, so plötzlich gehen zu müssen und die mir lieb gewordenen Menschen zurückzulassen, fühlte mich zum anderen machtlos und hatte und habe immer noch Angst um meine Bekannten und Freunde vor Ort, und war auch schlicht wütend auf die Situation. Und angekommen in Deutschland war auch nichts, wie ich es kannte, ich konnte niemanden treffen und so zuerst außer mit meiner Familie mit niemanden meine Erfahrungen teilen.

Nach einer Zeit konnte ich dann aber immer mehr und mehr Leuten davon erzählen und „Togo-Abende“ mit Freunden und Verwandten machen, wo ich Bilder gezeigt habe und gekocht habe. Das macht mir großen Spaß und es ist eine schöne Möglichkeit, meine Erfahrungen zu teilen und auch mal wieder Togo-Essen zu essen… Und Anfang Mai habe ich dann endlich auch eine neue Aufgabe gehabt und angefangen, hier in Dortmund bei einer Essensausgabe für Obdachlose zu arbeiten. Die Arbeit hat sich sinnvoll angefühlt und Spaß gemacht und als ich Anfang August dort aufgehört habe, war ich etwas wehmütig. Jetzt bereite ich mich auf mein Politikwissenschaften-Studium in Frankreich vor, was im September beginnt und habe so jetzt zum Glück eine konkrete Perspektive.

Trotz all dieser neuen Dinge denke ich täglich an meine Zeit in Togo. Ich habe viel Kontakt zu Freundinnen und Freunden vor Ort und schreibe mit ihnen auf Whatsapp und Facebook. Ich bin dankbar über diese Möglichkeiten und es ist schön, die Kontakte so aufrechtzuerhalten. Ich habe das Gefühl, durch meine Zeit dort als Person gewachsen zu sein. Ich habe so viel Neues gesehen und erlebt, und meine Zeit dort bringt viele neue Impulse in mein Leben hier, in dem ich doch schnell wieder in meinen alten Trott gefallen bin. Oft höre ich Musik aus Togo und habe auch schon sämtliche Afroshops der Stadt abgeklappert, um dann ein bisschen in Erinnerungen zu schwelgen. Schwierig fand ich es manchmal, die Entwicklungen in Togo mitzubekommen. Auch wenn die Coronafälle dort bis heute sehr niedrig sind, hatten die Schulschließungen und die Aussetzungen der Gottesdienste katastrophale Folgen. Meine ehemaligen Kollegen am Collège Protestant konnten nur teilweise oder gar nicht bezahlt werden, und ich habe mich deswegen manchmal sehr machtlos gefühlt. Auch ist es für sie kein schönes Signal, dass ich als weiße Deutsche einfach ins nächste Flugzeug steigen kann, wenn es brenzlig wird. Zum Glück normalisiert sich die Lage gerade wieder einigermaßen und Schulen und Kirchen sind wieder offen, aber die Langzeitfolgen werden sich vermutlich erst in den nächsten Monaten und Jahren zeigen.

Ich hoffe, dass ich bald noch einmal nach Togo reisen kann, denn ich habe das Land und die Leute sehr ins Herz geschlossen.

Danke fürs Lesen und alles Gute

Leonie

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