Das war’s…

Liebe Blogleserin,
Lieber Blogleser,

Ich dachte, ich melde mich noch einmal. Dieses Mal aber will ich nicht irgendwelche Ausreden suchen, weshalb ich mich so lange nicht gemeldet habe. Denn die Ausrede, ich hätte zu viel zu tun gehabt, stimmt einfach nicht. Trotzdem gibt es noch das ein oder andere zu berichten, bevor ich mein Jahr beende. Wir alles wissen, was die Welt in den letzten Monaten beschäftigt hat – Corona. Mich traf das Ganze, obwohl es ein mehr oder weniger bekanntes Thema auch in Ghana war, sage wir eher überraschend. Samstag war ich noch auf der Beerdigung eines Vaters von einem guten Freund von mir und Sonntags habe ich im Gottesdienst gesungen und habe da noch nicht gewusst, dass es der letzte Gottesdienst sein sollte. Ab Montag ging alles ganz schnell. Erst hieß es meine Eltern können nicht kommen, dann hieß es haltet euch bereit, es kann sein, dass ihr nach Hause müsst und abends gab das BMZ bekannt, dass alle Weltwärts Freiwilligen, egal wo, zurück müssen. Schock für mich. Ich habe also mehr schlecht als recht meine Sachen gepackt, mich zumindest von ein paar Leuten verabschiedet und bin sieben Tage später von Eric und seiner Familie zum Flughafen gebracht worden. Geweint habe ich nur sehr wenig. Aus zwei Gründen: Immer wieder sagten mir alle, ich bräuchte nicht zu weinen, ich käme ja bestimmt bald wieder und zum Anderen war mir überhaupt noch nicht so richtig klar, was eigentlich los ist und dass ich gerade wirklich auf dem Rückweg bin. Etwas, dass ich mir nicht vorstellen konnte, denn früher Zurückkommen war für mich schon nach dem ersten Monat, in dem ich mich in Ho super wohlfühlte, keine Option.
Zuhause war es total kalt, es regnete nur und die Corona – Situation hatte ich mir irgendwie aus dem fernen Ghana viel krasser vorgestellt (ich möchte damit nicht sagen, dass es nicht schlimm war / ist, nur hatte ich mir das Ganze irgendwie anders ausgemalt). Ein Gutes hatte das Ganze, denn ich konnte meine Familie wiedersehen, was mich sehr gefreut hat. Nur viel es mir schwer, das in meiner Traurigkeit und dem Realisierungsprozess zu zeigen.

Die letzten Monate lassen sich relativ schnell zusammenfassen. Ich habe einen Minijob bei der Schülerhilfe bekommen und so nicht nur meiner kleinen Schwester, sondern noch ein paar anderen Schülerinnen und Schülern mit ihren vielen Schulsachen und den wenigen Lehrererklärungen klar zu kommen geholfen. Dann habe ich mich an ein paar Unis für den Studiengang „Internationale Beziehungen“ beworben und habe nun mit einem Teilstipendium von Weltwärts, für welches ich ein Interview, ein Motivationsschreiben und einen Auswahltag bewältigt habe, einen Platz an der Karlshochschule in Karlsruhe bekommen, suche deshalb im Moment nach einem WG Zimmer und war dann noch im Urlaub in Italien (ein Glück sind wir nicht nach Spanien gefahren…)
Viel schwieriger lässt sich aber zusammenfassen, was sich alles für Gedanken in meinem Kopf gesammelt haben und da herumschwirren. Viel öfter und noch lieber als früher schon, saß ich in den letzten Monaten auf unserer weißen Bank an der Hauswand zum Garten hin, der nach Süden geht, deshalb von morgens um 10:00 bis abends um 18:00 Uhr Sonne hat und hing meinen Gedanken nach. Viele Fragen nach den Unterschieden von Ghana zu Deutschland, wichtige Themen, wie Rassismus, Gerechtigkeit, Politik… gingen und gehen mir durch den Kopf. Viele Überlegungen, wie sich meine Erfahrungen auf mich und mein jetziges Leben auswirken sollen oder schon ausgewirkt haben.
Außerdem habe ich, besonders jetzt nachdem ich in Italien gewesen bin, eine Frage, die ich vorher gar nicht so im Blick hatte, immer weiter in den Vordergrund gerückt: Die Frage nach meiner Heimat. An welchem Ort ich mich Zuhause fühle. Das ist bei mir vielleicht nicht ganz so leicht zu beantworten, wie bei dem ein oder anderen, der schon immer in ein und derselben Stadt lebt zum Beispiel. Als ich aus Ghana wiederkam, hatte ich erwartet, dass sich ein Gefühl, wie „Heimkehren“ einstellen würde. Doch das war irgendwie nicht so. Meine Familie wiederzusehen rief schon dieses Gefühl hervor, aber der Ort an sich nicht.
Auch nach 8 Jahren in Oldenburg finde ich es komisch, wenn ich als „Oldenburgerin“ bezeichnet werde und würde mich selbst nicht als solche bezeichnen.
Ich bin in Hannover geboren. Doch als „Hannoveranerin“ würde ich mich nie bezeichnen – ist doch das Einzige was ich wirklich von Hannover weiß, dass dort 2000 die Expo stattfand, am Bahnhof (ich glaube zumindest, dass es der Bahnhof Hannover war…) eine Pferdestatue steht an der vorbei man direkt in die Innenstadt kommt (soll wohl stadtplanerisch sehr gut sein, dass man vom Bahnhof direkt in die Innenstadt kommt) und dass der Maschsee mit 6 km eine gute Laufstrecke ist. Aber das wars auch. In Italien fühle ich mich heimisch. Das ist ein Ort, der sich mit einer Regelmäßigkeit durch mein Leben zieht, die es sonst nicht so gibt. Aber so richtig sagen kann ich das einfach nicht, auch welche Rolle Ghana in dem ganzen Prozess spielt, ist mir noch nicht so klar.
Und wenn es schon mir so geht, wie geht es dann jemandem, der geflüchtet ist, dessen oder deren Eltern aus einem anderen Land kommen oder jemand, der in unterschiedlichen Ländern gelebt hat, bei mir waren es ja nur verschiedene Städte?
Ist es überhaupt so wichtig, dass ich einen Ort benennen kann? Muss ich das so genau definieren?
Diese und andere Fragen schwirren in meinem Kopf herum. Aber irgendwie bin ich froh darüber. Sie waren schon immer da, aber sind auf jeden Fall durch Ghana erweitert und angeregt worden. Auch wenn ich keine Antwort geben kann oder möchte, ist es jedoch schön und aufschlussreich, darüber nachzudenken. Ich kann es jedem Einzelnen empfehlen!

Hiermit will ich jetzt meinen Blog beenden. Ich weiß, es war vielleicht kein Bericht über die vergangenen Geschehnisse, aber mir war es ein Anliegen, auch mal ein paar meiner Gedanken preiszugeben. Den ein oder anderen wird es vielleicht interessiert haben. Bleibt gesund und passt auf Euch auf!
Eure Julia.

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