Monat 3 – November

Der November führte uns nach Keta. Derrick, einer von Bismarks Freunden, den wir auf dem Oktoberfest kennenlernen durften, hatte uns gemeinsam mit seinen Freunden George und Fafali zum Hogbetsotso Festival eingeladen:

Von links:
George, ich, Derrick, Bele

Hogbetsotso – zum Hintergrund
Das Festival erinnert an die historische Flucht der Anlo-Ewe (die Anlo-Ewe gehören zur Gruppe der Ewe, die heute in Ghana, Togo und Benin leben) aus Notsé, einer Stadt im heutigen Togo. Notsé stand unter der Herrschaft von König Agokoli, der die Bewohner unterdrückte. Erzählungen nach gelang es diesen durch eine List zu fliehen: In regelmäßigen Abständen gossen sie Wasser an dieselbe Stelle der Stadtmauer, wodurch diese allmählich an Festigkeit verlor und schließlich durchbrochen werden konnte. Die Flucht der Ewe erfolgte in der Nacht. Rückwärts verließen sie die Stadt und hinterließen auf diese Weise Fußabdrücke, die den Anschein erweckten, als seien Menschen nach Notsé gekommen, anstatt die Stadt zu verlassen. Diese Täuschung verschaffte ihnen Zeit. Letztendlich erreichten die Ewe das Gebiet, in dem auch ich mich gerade befinde – die Volta Region Ghanas. Sie ließen sich nieder und gründeten
Städte entlang der Küste und des Volta-Flusses, darunter Keta.

Fahrer im Schwitzkasten – die erste Motorradfahrt meines Lebens
Untergebracht waren wir in einem Hotel etwas außerhalb der Stadt, weshalb wir auf Mototaxis als Transportmittel zurückgegriffen haben. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: in Ghana ist es nicht üblich, sich während der Fahrt festzuhalten. Während die meisten Mitfahrenden, die Hände auf ihren Knien positioniert, ganz entspannt hinterm Fahrer sitzen, habe ich mich so sehr an diesem festgeklammert, dass ich im Nachhinein wirklich Bedenken habe, ob er auf der Fahrt überhaupt richtig Luft holen konnte. Bele dagegen saß gelassen hinter mir und hat unterwegs noch ganz entspannt ihr Getränk ausgetrunken – zumindest den Teil, der angesichts der teilweise huckeligen Straßen nicht auf mir gelandet ist…

Zurück zum Festival
Das Festival war sehr beeindruckend. Neben einer Kunstausstellung am Strand durften wir Beiträge traditioneller Musik- und Tanzgruppen bewundern. Besonders interessant war die Performance einer Gruppe, die gemäß der Sage rückwärts gelaufen ist. Dann waren auch Bele und ich an der Reihe: Während Fafali und Derrick zunächst noch sehr optimistisch waren, uns das Tanzen beizubringen, schien ihre Hoffnung keine 10 Minuten später bereits sichtlich geschrumpft zu sein. George, der das ganze auf Video festgehalten hat, hatte wohl am meisten Spaß. Bele und ich gaben unser Bestes, merkten jedoch ebenfalls, dass unsere Tanzkünste eher in der Kategorie „hoffnungslose Fälle“ einzuordnen sind. Aaaaber wie heißt es so schön: Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung…


Auch moderne Künstler sind aufgetreten – kleine Notiz an mich: sollte ich jemals wieder auf ein Konzert gehen, dessen Musiker mir so gar nichts sagen, wäre es definitiv von Vorteil, zumindest die Namen vorher einmal zu googeln! Man weiß ja nie, wem man alles über den Weg läuft – was uns zum Fettnäpfchen des Monats führt: Kaum kommen Bele und ich vom Klo zurück, merken wir, dass unser Trüppchen um eine Person gewachsen ist. In Derricks Arm: irgend n (mir unbekannter) Typ mit Ohrringen und außergewöhnlicher Frisur. George – wie bereits den gesamten Abend – am Fotos machen. Nachdem die drei ihre Konversation beendet hatten (der Typ schon im Weitergehen), frage ich die Jungs also, ob es sich bei dem Neuen im Bunde um einen Freund handelt – und kann anschließend in ein entsetztes Gesicht von Fafali schauen, gefolgt von der Frage, ob wir ihn denn nicht kennen würden. Bele und ich verneinen. „Woher sollen wir denn bitte ihren Kumpel kennen, wenn keiner der Anwesenden bisher auf die Idee gekommen war, ihn uns vorzustellen?!“, denke ich. Lange Rede, kurzer Sinn: Bei dem „komischen Vogel“ handelte es sich nicht um einen Freund der Jungs, sondern um Chief One, einen der wohl bekanntesten Sänger der Volta Region, dem ich (sollte er unsere Konversation noch mitbekommen haben) so schnell hoffentlich nicht wieder über den Weg laufen werde…

Von links: Derrick & Chief One

Neben zahlreichen Musikern durften wir auch den amtierenden Präsidenten, Akufo-Addo, sehen – oder zumindest seinen Rücken. Unser rasender Reporter George, der natürlich voll in seinem Element war, hat sich mit der Kamera ein bisschen weiter in die Menschenmenge gewagt – die Aufnahme ist durch ihn entstanden:

In orange: Akufo-Addo

Fort Prinzenstein
Wir haben viele schöne Momente erlebt, über die wir wohl noch lange lustige Geschichten erzählen können. Die Besichtigung Fort Prinzensteins gehört nicht dazu, sollte bei unserem Besuch in Keta jedoch nicht unerwähnt bleiben.
Fort Prinzenstein wurde 1784 von den Dänen erbaut. Ursprünglich als Handels- und Verteidigungsstruktur konzipiert, spielte es eine bedeutende Rolle im transatlantischen Sklavenhandel. Der Festungsbau diente als Knotenpunkt für den Handel von Sklaven, die von hier aus verschifft wurden. Heute ist das Fort ein historisches Denkmal, das seinen Besuchern einen Einblick in die koloniale Geschichte und die Auswirkungen des Sklavenhandels auf die Region bietet.
Der Besuch hat mich nachdenklich gemacht und gezeigt, dass hinter den malerischen Landschaften Ketas auch eine düstere Geschichte steckt, die nicht ignoriert werden sollte.

Was sonst noch so passiert ist
Ende des Monats kam Amma uns besuchen. Gemeinsam mit ein paar Freunden aus den Headquarters, darunter Juliet, Clement und Eyram, haben wir uns bei Dela getroffen, um ihren Geburtstag zu feiern. Auch wenn das Feiern von Geburtstagen vor Ort noch lange nicht so verbreitet ist wie in Deutschland, war es ein gelungener Abend. Wir saßen gemütlich zusammen, haben uns Pork (gut gewürzte Schweinefleischstückchen) geteilt und uns von Clement zusätzlich mit Yam und Stew bekochen lassen. Nach vielen guten Gesprächen habe ich mich dann mit Amma, Jujuu, Sister Eyram und Bele im Keke auf den Rückweg gemacht. Mit 6 Leuten auf 2-3 Quadratmetern mussten wir zwar ein bisschen quetschen, die Fahrt war aber definitiv nochmal ein Erlebnis für sich, haha.

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