Monat 2 – Oktober

O’zapft is!
Hätte mir jemand vor ein paar Monaten gesagt, dass ich diesen Spruch mal in Ghana hören würde, hätte ich ihm wahrscheinlich den Vogel gezeigt.

Doch da waren wir: Zwei Freiwillige in der Hauptstadt Ghanas, umringt von Dirndln, Lederhosen, Würstchen und Bier.

Bismark, einer der ehemaligen Süd-Nord-Freiwilligen (2018/19), den wir bereits bei unserer Ankunft am Flughafen kennenlernen durften, hatte uns nämlich zum Oktoberfest nach Accra eingeladen.

Die Stimmung war super – nicht vergleichbar mit Deutschland, aaaber wir hatten eine Menge Spaß. Das Programm bestand aus einer Mischung aus Spielen wie Bierkrugstemmen (an dieser Stelle: Respekt an Amma, die sich trotz entschlossenem Gesichtsausdruck und angespanntem Monsterbizeps letztendlich wacker gegen die Schwerkraft geschlagen geben musste) und Musikeinlagen der Organisatoren (darunter Gesangseinlagen und Kuhglockengeläute – ja, Kuhglockengeläute). Der Knaller des Abends: Irgendwann schafften Amma, Bele und ich es dann auch noch, YMCA-tanzend auf der Bühne zu landen (Notiz an mich: das mit dem „C“ sollte ich definitiv nochmal üben, haha) – wie es dazu gekommen ist? ICH HABE KEINE AHNUNG. Dass es sich bei unserer Performance um eine Dancecompetition gehandelt hat und wir den gesamten Song über gegeneinander angetreten sind, haben wir erst gecheckt, als Bele auf einmal ein Preis in die Hand gedrückt wurde. Was soll ich sagen? Man nimmt halt mit, was man kriegen kann – in unserem Fall: einen Massagegutschein für zwei Personen und ne unvergessliche Story!

Nachts ging es gemeinsam mit Bismark und ein paar seiner Freunde dann noch weiter in den Club, was super viel Spaß gemacht- mir aber auch vor Augen geführt hat, dass das „C“ in YMCA definitiv nicht meine einzige Baustelle beim Tanzen ist…

Alles in allem war es ein gelungenes Wochenende, das mit dem Partyerlebnis noch lange nicht zu Ende sein sollte: Einen Tag später beschlossen wir uns in Madina (Stadtteil von Accra, hier durften wir bei Bismark und seiner Familie unterkommen) ein wenig umzusehen. Viele der uns Entgegenkommenden begrüßten uns freundlich auf Twi (eine von über 40 Sprachen, die in Ghana verbreitet sind). Schnell wiesen wir sie darauf hin, wir würden die Sprache leider nicht verstehen, stattdessen aber Ewe lernen (dass unser Vokabular sich zunächst auf „Guten Morgen“, „Guten Tag“, „Guten Abend“ und „Tschüss“ beschränkte, musste ja keiner wissen – schließlich würden die Bewohner Accras zu großen Teilen eh nur Twi sprechen – dachten wir zumindest. Drei mal dürft ihr also raten, wie blöd wir aus der Wäsche geschaut haben, als die Gespräche nach unserem Hinweis schlagartig auf Ewe fortgesetzt wurden – und wir natürlich KEIN WORT verstanden haben…

Abends sind wir dann noch mit Bismark, seiner Frau Avis und seinem Sohn Reign (oder auch „Baby“) zu Erec gefahren, ebenfalls ein ehemaliger Süd-Nord-Freiwilliger, der 2017/18 in Deutschland gewesen ist. Wir haben uns super viel über unsere bisherigen Erfahrungen als Freiwillige ausgetauscht, uns über Pannen kaputt gelacht, die in den jeweiligen Einsatzländern passiert sind und sehr gut (und vor allem viel!) gegessen. Und obwohl wir die vier zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich gut kannten, hatte der Abend für mich etwas Familiäres – mir wurde klar: auch in Accra hatten wir jemanden, auf den wir uns immer verlassen konnten – und unser Besuch sollte keineswegs der letzte bleiben…

Was sonst noch so passiert ist

Nenyo Haborbor
Seit Anfang Oktober besuche ich neben den Schulen auch einmal die Woche „Nenyo Haborbor“, das von der Norddeutschen Mission geförderte „Straßenkinderprojekt“, dessen Nachmittagsbetreuung sich in etwa mit dem Kidscafé unserer Kirche vergleichen lässt. Nachdem Aunty Florence, die für das Projekt zuständig ist, erfahren hat, dass ich in meiner Heimat eine Karategruppe trainiere, durfte ich dieser Tätigkeit auch vor Ort nachgehen, was mir super viel Spaß gemacht hat. Parallel haben mir die Kinder und Jugendlichen ein paar Begriffe auf Ewe beigebracht: Wird der Arm beim Ausführen der Technik zu hoch gehalten, weiß ich mittlerweile, dass ich am besten mit „medekuku anyigba“ (please down) reagieren kann. Muss der Arm weiter nach oben, wird „medekuku dzime“ (please up) gesagt. Auch im Zählen von 1 bis 10 wurde ich von Woche zu Woche besser.

Chor
Bele und ich sind seit Anfang des Monats auch Mitglieder des Jugendchors der Kirche („EPSU Choir“). Wie wir dort gelandet sind? Ganz komische Situation (dachte ich zu Beginn jedenfalls): MK, der uns am Anfang beim Einrichten der SIM-Karten behilflich war, hat uns auf einmal wie aus dem nichts dazu aufgefordert, ihm etwas vorzusingen. Leicht überfordert haben wir dann wohl die Performance unseres Lebens hingelegt – soweit es in Anbetracht unserer Stückauswahl eben möglich war. Gesungen wurde eine Mischung aus „Alle meine Entchen“, „Hänschen klein“ und „ein Männlein steht im Walde“. So schlecht kann es anscheinend nicht gewesen sein, immerhin hat er uns dann vorgeschlagen, mal bei einer der Proben vorbeizuschauen – „schaden kann es ja nicht“, dachte ich. Dass MK der CHORLEITER ist, haben wir allerdings erst realisiert, als er uns – ohne lange nachzudenken – direkt der passenden Stimmlage zugeordnet hat (was man aus Kinderliedern alles so raushören kann…). Während Bele im Tenor singt, versuche ich im Sopran so viele Töne zu treffen, wie es eben geht.
Einige Zeit später war es dann soweit: Wir haben unsere Roben bekommen und wurden somit
offiziell in den Chor aufgenommen! Hierfür hat es sogar eine kleine Zeremonie während eines der Gottesdienste gegeben. Uuund erneut habe ich mich gefühlt, wie in einem der amerikanischen High-School-Filme – diesmal kurz vor der Graduation, haha.

Rückblickend war die Musik wohl das erste, das uns alle verbunden hat. Und auch wenn das Singen nie so wirklich meins war, muss ich zugeben, dass es mittlerweile echt Spaß macht. Es ist schön, Teil einer Gruppe zu sein und mithilfe der Ewe-Hymnen auch die Aussprache verbessern zu können.

Hinterlasse einen Kommentar