
Hinreise:
Los ging es für mich am 25.08. sehr früh morgens, nach nur eineinhalb Stunden Schlaf aufgrund von Aufregung und Umpackmanövern (denn wer mich kennt, weiß, dass ich wirklich immer und egal wohin ich fahre, viel zu viel einpacke). Am Ende haben wir es aber geschafft und bei der Gepäckaufgabe am Flughafen hat alles geklappt, was für mich schon eine große Erleichterung war. Danach kam der Abschied von meiner Familie, der definitiv nicht ohne Tränen ablief (auf beiden Seiten), auch wenn es sich für mich total surreal angefühlt hat, sich wirklich für 12 Monate zu verabschieden.
Der erste Flug von Hamburg nach Brüssel ging nur knapp eineinhalb Stunden und zu unserem großen Glück sind Lara und ich fast gleichzeitig dort angekommen und quasi direkt durch Zufall ineinander gerannt. Unsere Wartezeit verging viel schneller als erwartet, und das, obwohl wir beide so müde waren, dass wir uns die meiste Zeit nur angeschwiegen haben.
Auch der zweite Flug verlief reibungslos und wir durften uns sogar umsetzen, sodass wir nebeneinander und am Fenster sitzen konnten. Die Sicherheitseinweisung wurde per Song abgespielt, der wirkliches Ohrwurm-Potenzial hatte, es gab für uns beide das allererste Mal Flugzeugessen, aber die meiste Zeit habe ich eigentlich mit ein paar Unterbrechungen geschlafen. Immer wieder haben wir versucht, etwas von der Welt unter uns durch die Wolken zu sehen: Frankreich, Mallorca, die Sahara, aber so richtig gut hat das durch die Wolken nicht geklappt. Schließlich sind wir das erste Mal auf dem afrikanischen Kontinent gelandet, nämlich in Accra, Ghana. Von dort ging es nur noch ca. eine halbe Stunde weiter bis Lomé und die Aufregung bei uns stieg.
Am Flughafen in Lomé angekommen, haben wir die ersten Versuche gestartet, Französisch zu sprechen. Das hat in unserem völlig erschöpften Zustand nur so mehr oder weniger geklappt. Außerdem gab es den ersten Moment der Panik: Wir haben unsere Koffer auf dem Laufband nirgendwo gefunden. Bis wir verstanden hatten, dass wir am falschen Laufband standen und unsere Koffer zum Glück genauso problemlos angekommen waren wie wir, hat es einen kurzen Moment gedauert.
Kaum dass wir aus dem Flughafen rausgegangen sind, wurden wir von der warmen, stickigen Luft Lomés empfangen. Wir mussten zum Glück nicht lange warten, bevor wir von Sélom (unserer Mentorin) und Rodrigue (ihrem Fahrer) direkt durch eine Umarmung sehr herzlich begrüßt wurden. Die beiden haben sich vorgestellt, sich zwei unserer Koffer geschnappt und schon sind wir, ihnen hinterher, zum Auto gelaufen. Die Fahrt zu Sélom nach Hause ist wirklich eine Überflutung mit neuen Eindrücken gewesen. Es war schon stockdunkel, als wir ankamen, trotzdem waren die Straßen noch super belebt, überall liefen und schrien Menschen, hupten Motos und fuhren Autos auf sehr interessant gewählten Spuren. Wir saßen beide nur stumm da, haben uns aneinander festgehalten und all das auf uns wirken lassen.
Vom ersten Abend ist nicht besonders viel aus den paar Gesprächen und Vorstellungen hängen geblieben, außer dem sehr leckeren Abendbrot: Es gab frittierte Süßkartoffel und Rührei mit Tomate und Paprika. In der Kombination hatten wir das so zwar noch nie gegessen, trotzdem waren die vertrauten Geschmäcker sehr tröstlich und wir konnten richtig zulangen, bevor wir total kaputt ins Bett gefallen sind.



Die ersten zweieinhalb Wochen:
Angekommen sind wir in Togo also am 25.08. Die Schule hat aber erst am 15.09., also drei Wochen später, wieder begonnen. Deshalb hat Sélom vorgeschlagen, vorerst in Lomé zu bleiben, bevor wir nach Kpalimé fahren. Die ersten paar Tage haben wir hauptsächlich mit Schlafen verbracht. Wir haben nachts bestimmt 9-10 Stunden geschlafen, sind aufgestanden und haben uns teilweise schon nach dem Frühstück wieder hingelegt und nochmal (Vor-)Mittagsschlaf gemacht. Unsere Zeit bestand also aus Essen, vielleicht noch ein bisschen Lesen und Schlafen. Damit hatten wir beide auch irgendwie gar nicht so gerechnet, dass wir vom Nichtstun SO kaputt sein würden. Aber die vielen Eindrücke und vor allem auch das konstante Französischhören und -sprechen, haben dann wohl doch ihren Tribut gefordert.
Sélom und ihre Familie haben uns das Einleben und die Ankunftszeit in Togo auf jeden Fall um einiges erleichtert. Wir haben uns dort super willkommen gefühlt und haben unglaublich leckeres Essen bekommen, das zwar manchmal ein bisschen scharf, aber extra für uns immer vegetarisch war (meistens mit Ei oder Soja, also quasi Tofu, was es hier überraschend viel gibt). Außerdem haben uns Séloms Söhne ein bisschen was vom Viertel gezeigt und bei den gemeinsamen (Harry Potter-)Filmabenden hatten wir auch sehr viel Spaß.
Viel von Lomé gesehen haben wir in der Zeit zwar leider nicht, weil der Verkehr und die sehr belebten Straßen ohne Gehwege, Ampeln und Zebrastreifen doch ziemlich einschüchternd waren, was das eigenständige Fortbewegen ein bisschen erschwert hat.
Stattdessen haben wir Sélom in den zweieinhalb Wochen aber auf mehrere Trips begleitet und dabei schon vergleichsweise viel von Togo (vom Auto aus) gesehen und seehr viele Menschen kennengelernt. Von einem Gottesdienst samt Einsegnung in den Grand Chorale der Kirche und großer Versteigerung, über eine Beerdigung und ein Camp de Jeunesse, war alles dabei. Dabei haben wir Vo-Tokpli, Sotouboua und Atakpamé bereits gesehen und auch unsere allererste Nacht in Kpalimé, in unserer eigenen Wohnung verbracht. Unsere ersten zweieinhalb Wochen waren also weniger ein ruhiges Ankommen, als eine unglaubliche Flut an neuen Eindrücken, Menschen, neuem Essen (z. B. Kokosnüsse, Yams, Adɛmɛ, la bouillie, Maniok, Fufu, Akple oder auf Französisch la pâte) und Herausforderungen (ja, sich auf einmal vor mehreren hundert Leuten mit einem Mikro in der Hand auf Französisch vorzustellen und von seinen eigenen Festivalerfahrungen zu berichten, ist definitiv eine Herausforderung, wenn man das ganze 10 Minuten vorher erst gesagt bekommt!).
Wir haben aber auch direkt sehr viel gelernt, was für uns teils erwartete und teils sehr unerwartete Überraschungen waren. Verkehrsregeln mitsamt roten Ampeln sind tendenziell eher optional, bei zeitlichen Absprachen darf man sich eigentlich nicht an der „typisch deutschen“ Pünktlichkeit orientieren, außer man möchte gerne viel Zeit mit Warten verbringen, nur um sagen zu können: „Also ich war ja pünktlich da“, und auch das gemeinsame Einnehmen einer Mahlzeit als Familie ist unserer bisherigen Erfahrung nach deutlich weniger Norm, als wir es aus Deutschland gewohnt sind (unser erstes Mal Durchfall dagegen war ziemlich erwartet, das hat es aber trotzdem nicht besser gemacht).




Ankunft in Kpalimé:
Irgendwann waren diese ersten zweieinhalb Wochen rum, was zum einen sehr traurig war, weil wir uns in der Zeit in Lomé wirklich gut eingelebt und Sélom und ihre Familie sehr ins Herz geschlossen haben. Andererseits waren wir auch voller Vorfreude auf unsere Wohnung, darauf, auch mal für uns selbst verantwortlich zu sein, tun und lassen zu können, was wir wollten, und vor allem auch darauf, eigene Zimmer und eigene Betten zu haben. Zwar verstehen Lara und ich uns nach wie vor sehr gut, aber zweieinhalb Wochen permanent im gleichen Raum zu sein, gar keine Privatsphäre oder wirkliche Me-Time zu haben (außer auf der Toilette) und die GANZE Zeit aufeinander rumzuhängen, das wird auf jeden Fall irgendwann anstrengend, ganz egal, wie gut man sich versteht. Wir haben also unsere Koffer wieder eingepackt (was aus irgendeinem Grund auch wieder ein bisschen schwierig war, dabei hat sich mein Gepäck ja in der Zeit in Lomé nicht vermehrt), haben uns von unserem Zimmer und den Menschen in Lomé verabschiedet und sind ins Auto gestiegen. Das war echt unerwartet traurig und emotional, obwohl wir zu dem Zeitpunkt sogar schon wussten, dass wir spätestens am 03.10. wieder in Lomé sein würden.
Die Fahrt verlief sehr unspektakulär und nach knapp zwei Stunden sind wir am Collège Protestant in Kpalimé angekommen. Unsere Koffer wurden für uns in unsere Wohnung in den ersten Stock getragen, wir haben noch eine große Portion frittierte Kochbanane hingestellt bekommen, haben uns von Sélom und Rodrigue verabschiedet, die direkt wieder gefahren sind, und sind dann allein in unserer Wohnung zurückgeblieben. Ich hatte auf jeden Fall sehr gemischte Gefühle erwartet, aber dann irgendwie doch plötzlich von einer Minute auf die andere allein gelassen zu werden, war auf jeden Fall sehr ernüchternd, und als ich mir der ganzen leeren Wohnung nur für uns zwei bewusst geworden bin, habe ich mich direkt ein bisschen einsam gefühlt.
Zum Glück ist das Gefühl aber relativ schnell verflogen und ich habe als erste Amtshandlung die Medikamenten-, Mückenspray- und Sonnencremevorräte unserer Vorfreiwilligen durchsortiert, was tatsächlich länger gedauert hat, als man meinen sollte (wir haben von allem wirklich noch seehr viel auf Vorrat, also Sonnenbrand werden wir erstmal definitiv nicht deshalb bekommen, weil wir keine Sonnencreme mehr haben).
Später am Tag wurden wir noch vom Directeur begrüßt, der uns gegenüber wohnt, und waren mit Saviour einkaufen. Saviour ist der Musiklehrer am Collège und hier so ein bisschen unsere Ansprechperson. Er hat uns schon ganz viel gezeigt und uns auch die ersten Male auf den Markt begleitet.
Direkt zur Begrüßung hatten wir an unserem ersten Abend auch das erste Mal einen etwas längeren Stromausfall, sodass unser erstes Kochen (ganz kreativ: Nudeln mit Tomatensoße) bei Kerzenlicht und Handytaschenlampe stattfand. Als wir dann wieder Strom hatten, wollten wir das auch direkt nutzen und unsere Waschmaschine anstellen (die hier ein wirklicher Luxus und absolut nicht selbstverständlich ist, aber wir sind sehr dankbar dafür). Leider haben wir nicht weiter darüber nachgedacht und parallel auch den Wasserkocher benutzen wollen, sodass wir zum zweiten Mal an diesem Abend im Dunkeln in unserer Küche standen, dieses Mal, weil unsere Sicherung rausgeflogen ist. Zum Glück konnten wir schnell dem Guardien (das ist der Torwächter/Hausmeister) Bescheid sagen und ein paar Minuten später hatten wir wieder Strom. Was uns dadurch aber nochmal sehr deutlich vor Augen geführt wurde, ist, dass die ständige und zuverlässige Strom- und Wasserversorgung, wie es sie in Deutschland gibt, ein echtes Privileg ist und für viele Menschen auf der Welt eben nicht zur Normalität dazugehört.
Die nächsten paar Tage waren noch Ferien, das heißt, wir hatten viel Zeit, um in unserer Wohnung einen Deep clean zu machen (das gehört ja zu einem Einzug auch irgendwie dazu), unsere Koffer auszupacken, das erste Mal auf den Markt zu fahren, unsere Straße ein bisschen zu erkunden und dort bereits einige der Händler*innen, sowie am Collège die ersten Lehrer*innen kennenzulernen und auch die Kirche hier das erste Mal zu besuchen.
Insgesamt konnten wir uns also schon mal ganz entspannt ein bisschen mit dem Alleinewohnen und dem auf uns Gestelltsein anfreunden, was, wie ich fand, echt ganz gut funktioniert hat, und wir haben ziemlich schnell angefangen, uns in unserer Wohnung für die nächsten 12 Monate sehr wohlzufühlen.



Liebe Grüße und bis bald! 🙂
